Samstag, 12. Dezember 2009

Dienstag, 8. Dezember 2009

Von Jugos, Machos und Anian

Was an dieser Stelle schon vor Monaten aufgegriffen wurde, hat es mittlerweile Prominent in die Presse geschafft. Ein Luzerner Jungpolitiker hat vor einiger Zeit einen Musterbrief erstellt, welchen der besorgte Bürger, ergänzt mit Datum und Namen, der jeweils zuständigen Behörde zukommen lassen kann zwecks Verhinderung von Einbürgerungen. Praktischerweise sind die Gründe, die dagegen sprechen, in dem Schreiben schon aufgeführt, ebenfalls wird der Tatsache Rechnung getragen, dass sämtliche Gemeinden der Schweiz grundsätzlich nur Menschen aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien einbürgern wollen, was per sei eine Schweinerei darstellt.

Dies offenbart eine gefährliche Denkweise: Aufgrund eines irrelevanten Kriteriums (Staatsangehörigkeit eines Einbürgerungskandidaten) werden bestimmten Personen Eigenschaften zugedacht, welche man allen Menschen, welche dieses Kriterium erfüllt, zuschreibt. Eine solche Denkweise ist rassistisch. Dass der Brief lediglich "eine Hilfestellung zum Verfassen einer Eingabe für Leute, die im Umgang mit Behörden nicht geübt sind" handle (Andreas Glarner, Fraktionspräsident der SVP im Aargau, anonymer Verfasser von übelsten Inseraten), macht die Sache nicht besser. Wer nicht in der Lage ist, eine Eingabe an eine Kommunale Behörde zu formulieren, dem fehlen entweder die staatskundlichen oder sprachlichen Grundkenntnisse, die es für das ausüben der Bürgerpflichten eigentlich brauchen würde.

Bedenklich auch die Tatsache, dass die stolzen Schweizer sich nicht einmal getrauen, für Ihre menschenverachtenden Überzeugungen einzustehen, wird doch darauf bestanden, dass der Name des Verfassers den Mitgliedern der Einbürgerungskommision nicht genannt wird. Weshalb denn nicht? Scham? Angst davor, die eigene Meinung begründen zu müssen? Beides würde eher dafür sprechen, derartige Eingaben nicht zu machen.

Dies alles wäre keine wirklich einzigartige Haltung eines Politikers der Jungen SVP. Doch die Kreise, welche dieser Brief mittlerweile gezogen hat, stimmen noch nachdenklicher. Denn das "Parteiunabhängige Informationskomitee", bestehend vorwiegend aus Mitgliedern der SVP und der FDP, empfiehlt das Schreiben neuerdings auf seiner Homepage. Vizepräsident (wie gewohnt einer von zahlreichen, es waren bis vor einigen Minuten noch 5) der Organisation war der erste Staatsanwalt des Kantons Aargau. Der hat von der Aktion mit dem Brief nichts gewusst (was der Präsident abstreitet) und ist per sofort von seinem Amt als Vizepräsident zurückgetreten. Er wäre besser als Staatsanwalt zurückgetreten. Nicht wegen seiner politischen Einstellung. Aber einerseits sollte er aufgrund seines Berufes Wissen, dass es nicht schlau ist, der Veröffentlichung von irgendwas zuzustimmen, ohne sich des Inhalts der Veröffentlichung gewahr zu sein (was nach Aussage des betroffenen der Fall gewesen sein soll). Andererseits, sollte er diesen Brief als gute Idee verstehen, macht mir ein Staatsanwalt mit einem derartigen rechtsverständnis und menschenbild Angst.

Mittwoch, 25. November 2009

Logik und Politik

Seit Emil's legendärer Darstellung eines typischen Wahlverlierers bieten sich die immergleichen Bemerkungen von Politikern zu Abstimmungsresultaten als dankbarer Stoff für mehr oder weniger hämische Kommentare an. Ein aktuelles Beispiel lieferte der geschätzte Mitblogger W vor einiger Zeit. Das dieses Thema in einer Einführung in die Grundlagen der Rhetorik münden würde, war nicht vorauszusehen, den aktuellen Stand des Disputes möchte ich an dieser Stelle jedoch zitieren:

"Ich kann gerne bestätigen, dass ich keineswegs Philippe Wampfler, mit diesem auch nicht verwandt, verschwägert und schon gar kein Zwilling. Wir kennen uns, sind uns öfters in politischen und anderen Fragen durchaus uneins, was immer wieder in anregenden Disputen endet. Gemeinsam haben wir aber das Bedürfnis, die eigene Position vernünftig zu begründen. Ohne auf Ihre letzten Kommentare inhaltlich einzugehen (ich werde dies, sollte ich die Zeit dazu finden, später gerne tun), erlaube ich mir den Versuch, zu erläutern, was zumindest ich – und ich entnehme dies seiner letzten Wortmeldung- wohl auch Herr Wampfler, auf einer grundsätzlicher Ebene gegen Ihre Positionen einzuwenden haben. Weil der Vorwurf an Sie, Ihre Position sei menschenverachtend sich auf Ihre inhaltlichen Aussagen bezieht, werde ich mich vorläufig auf den Vorwurf, Sie würden irrational argumentieren konzentrieren.

Rationale Argumentation beruht gemäss dem klassischen Verständnis auf der Vorstellung, eine These durch eines oder mehrere Argumente zu beweisen. Ein Argument stellt dabei keineswegs einfach eine beliebige Behauptung dar, sondern besteht aus zwei Teilen, aus einer oder mehreren Prämissen – also einer Annahme oder einer Aussage- und einer Konklusion, einer Schlussfolgerung. Beides kann wahr oder falsch sein, was sich unterschiedlich auf die Gültigkeit des Arguments auswirkt:

- „Alle Menschen sind sterblich“ (Prämisse).
- „Ich bin ein Mensch“ (Prämisse).
- „Ich bin sterblich (Konklusion).

Dabei können zwei Dinge schiefgehen: Eine oder mehrere Prämissen können sich als unwahr heraustellen, oder die Schlussfolgerung kann falsch sein, letzteres stellte dann einen Fehlschluss dar. In einem Disput wird meistens davon ausgegangen, dass eine Prämisse als wahr betrachtet werden darf, wenn beide beteiligten Parteien sich darin einig sind. Der Schluss ist als gültig zu betrachten, solange es nicht gelingt, den Schluss als falsch zu belegen. Gelingt dies nicht, resultiert aus wahren Prämissen eine wahre Konklusion. Umgekehrt gilt jedoch nicht zwingend, dass eine Konklusion aus mehreren Prämissen zwingend falsch ist, wenn nicht sämtliche Prämissen wahr sind. Sind jedoch sämtliche Prämissen falsch, resultiert auf jeden Fall eine falsche Konklusion, unabhängig davon, ob ein Fehlschluss vorliegt oder nicht. Und darauf will ich eigentlich hinaus:

Was ich ausführlich zu erreichen versuchte, waren vornehmlich eines: Ich habe Ihre Prämissen zurückgewiesen. Auf unsere Differenz bezogen, könnte man das so umschreiben:

-“Einzig die SVP betreibt rechte, bürgerliche Politik“ (Ihre Prämisse, von mir als falsch erachtet)
-“Jede politische Position, die nicht derjenigen der SVP entspricht, ist links“ (Dies ist ein Prämisse, welche aus meiner Sicht von Ihnen als Konklusion betrachtet wird. Von mir ebenfalls bestritten).

- „Es gibt ausser der SVP nur linke Parteien“ (Schlussfolgerung, von Ihnen ausführlich erläutert).

Unsere Hauptdifferenz besteht also nicht in der Schlussfolgerung. Bevor wir uns darüber streiten, ob Ihre Schlussfolgerung richtig oder falsch ist, müssten wir uns auf Prämissen einigen, von denen wir beide denken, dass sie wahr sind. Bezogen auf den erwähnten Diksussionspunkt würde ich folgendes Vorschlagen:

Sie definieren, was Sie allgemein (und nicht auf spezifische Sachfragen oder Beispiele bezogen) was sie unter linker politischer Ausrichtung verstehen. (Prämisse: Links ist ……) Ein einfaches Mittel dazu findet sich hier (damit wäre ich übrigens sofort einverstanden).

Sollten wir uns auf eine Definition einigen können, könnte die jeweilige politische Ausrichtung der von Ihnen als links bezeichneten Organisationen aufgrund dieser Definition überprüft werden. (Prämisse: Organisation X ist links).

Diese Prüfung müsste für alle von Ihnen als links bezeichneten Organisationen durchgeführt werden. Für die SVP wäre eine Prüfung zwar interessant, aber das Resultat (rechts) wird von keinem von uns bestritten.

Sollte dann in allen Fällen resultieren, das es sich um linke Organisationen handelt, abgesehen von der SVP, kann ihre Aussage als gültig betrachtet werden, ich würde mich geschlagen geben.

Zugegeben, das ist kein einfacher Prozess. Aber er führt zu Resultaten und insbesondere dazu, dass sich eine Diskussion eben um Argumente und nicht einfach um immer wieder zu wiederholende Glaubenssätze dreht, die man sich gegenseitig an den Kopf wirft ohne jegliche Aussicht auf ein Resultat, weder für die Beteiligten noch für Dritte, welche sich Erkenntnisse aus dem Disput erhoffen."


Falls jemand das Bedürfnis verspüren sollte, sich mit mir über eristische Dialektik austauschen zu wollen, stehe ich gerne zur Verfügung.

Donnerstag, 19. November 2009

Wahlversprechen

Es ist nicht einfach, eine Wahl zu gewinnen, schon gar nicht in Deutschland, wo Mehrheiten ohne erkennbar nicht einhaltbare Wahlversprechen offenbar nicht zu erreichen sind. Dementsprechend gestaltet sich die Umsetzung dieser Versprechen im politischen Alltag ziemlich schwierig.

Eine kleine Übersicht und einen durchaus angemessenen Kommentar dazu leistet das ZDF:


Freitag, 13. November 2009

Das Eindringen Gebietsfremder Arten

Aus einem Interview des Spiegels mit Daniel Goldhagen, seines Zeichens immerhin Auslöser einer der epischsten geschichtspolitischen Debatten in Deutschland:

SPIEGEL: Beginnen Völkermorde immer mit Worten?


Goldhagen: Sprache ist das Fundament des Massenmords. Was wir über die Welt wissen, über andere Volksgruppen, über Fremde, wird transportiert über Rede, Worte, Sprache eben. Massenmorde werden von Menschen durchgeführt, die andere Menschen für Untermenschen oder für eine große Gefahr halten. Sie nutzen Sprache, um die Opfer zu entmenschlichen oder zu dämonisieren.


SPIEGEL: Sprache mobilisiert die Täter?


Goldhagen: Ja. Sprache ist der Überbringer von Hass. Die meisten deutschen Bürger kannten keine polnischen Juden, die Türken keine Armenier, viele Hutus wussten nichts über Tutsi - Klischees, Parolen, Tiraden stacheln die Täter an. Wenn wir uns die Geschichte der Genozide ansehen, wäre es absurd zu sagen: Ach, es sind doch nur Worte. Nein, wir müssen wachsam sein. Eliminatorische Reden sind nicht bloß unangenehm, sondern gefährlich, weil Sprache die ursprüngliche Quelle des Massenmords ist.




Dazu eine Interpellation des jurassischen Psychiaters und SVP Nationalrates Dominique Baettig:

Eingereichter Text

Ein von Montserrat Vilà geleitetes wissenschaftliches Team hat zum ersten Mal in Europa versucht, die von den wichtigsten gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten verursachten Kosten einzeln aufzulisten, dies natürlich ohne das Grippevirus H1N1. Von insgesamt 10 000 bekannten neu eingedrungenen Arten werden mindestens 1 347 wirtschaftliche Folgen haben. Der Bericht der Europäischen Kommission vom Dezember 2008 erwartet Kosten von zwischen 9,6 und 12,7 Milliarden Euro; für die Behebung der Schäden, die von bestimmten Insekten verursacht werden, für die Ausmerzung eingeschleppter Pflanzen, sowie für die Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen importierter Schalentiere, nicht-einheimischer Fische oder eindringender Säugetiere.

Eine Studie der ökologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der Migrationsbewegungen wurde meines Wissens in der Schweiz noch nie durchgeführt.

Könnte der Bundesrat, ähnlich wie für die Tier- und Pflanzenarten, eine Einschätzung der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Migrationsbewegungen in den letzten zehn Jahren durchführen? Wie hoch schätzt er die Kosten für die nächsten fünf Jahre?

Quelle: Geschäftsdatenbank der Parlamentsdienstes der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Freitag, 9. Oktober 2009

Studenten und Wikipedia

Dozenten sämtlicher Studienrichtungen versuchen in ihren Veranstaltungen, Studienanfängern zu erklären, dass Wikipedia weder der Weisheit letzter Schluss noch eine im wissenschaftlichen Sinn zuverlässige Quelle darstellt. Ein Phänomen, dass Herrn Manfred Trapp, seines Zeichens Dozent für Politikwissenschaft in Nürnberg zur Weissglut getrieben zu haben scheint. Mit dem Eintrag zur Gewaltentrennung hat er so seine liebe Mühe:

"Liebe wiki-Leute,

Ich mische mich wirklich ungern in Eure Arbeit ein, nutze Wikipedia ja auch selber. Es passiert mir aber, dass meine Studentinnen und Studenten (an der Ohm-Hochschule Nürnberg, ich unterrichte dort Politikwissenschaft) Wikipedia abschreiben wie die Raben. Wenn Sie dabei nicht korrekt zitieren, was vorkommt, kriegen sie sowieso eine "5" wegen Plagiats. (Ich bin kein Studentenfresser, aber manches geht nicht.) Nun passiert es aber auch, dass sie sich korrekt auf Wikipedia berufen und gleichwohl eine "5" kassieren, weil der Inhalt Quatsch ist. Das ist passiert bei Eurem Artikel über Gewaltenteilung. Deswegen einige Bemerkungen:

Ob Gewaltenteilung die Staatsmacht begrenzt und "die Freiheit" (welche?) sichert, halte ich für zweifelhaft, jedenfalls seid ihr hier total unkritisch. Es hat wohl noch nie soviel Macht gegeben wie in einem gewaltenteiligen System, selbst Hitler sieht blass aus gegen den US-Präsidenten (auch wenn manche Historiker das Gegenteil behaupten [Ergänzung 17. 2. 09: Weil einer meiner Studenten in einer Mail an mich dies bezweifelt, möchte ich nur an das Atomwaffenarsenal erinnern, über das der Präsident verfügt]). Das liegt exakt an der Gewaltenteilung, weil 1. kein Gericht was anderes nachprüfen darf als die Gesetzmässigkeit und Gesetze sind schnell passend gemacht (kein Gericht kann Guantanamo schliessen, weil es einfach eine Sauerei ist, sondern nur, wenn es US-Gesetzen widerspricht, wobei die Bush-Regierung genug Winkelzüge hatte, die im amerikanischen Recht halt möglich waren); 2. weil die Bindung der Staatsmacht (Exekutive) an das Gesetz eine grosse Befreiung darstellt: Jeder kleine Beamte beruft sich drauf, dass er nur die Vorschriften ausführt, wenn er mitleidslos ist, und die Legislative beruft sich darauf, dass sie vom ganzen Volk beauftragt ist, weshalb sie keiner einzelnen Gruppe verpflichtet ist, also von allen frei. (Dass dann gewisse Gruppen Ihren Einfluss durchsetzen, kommt noch dazu, ist aber eine andere Baustelle.)

Über all dies kann man diskutieren, und an Wikipedia ist hier ärgerlich, dass viele kritische Diskussionen abgeschnitten sind. Manche Staatsrechtslehrer nennen eure Gewaltenteilungslehre eine "Irrlehre, die den Sinn der Gewaltenteilung nicht in der Bewirkung innigerer Einheit und grösserer Richtigkeit, sondern in einer durch Teilung und 'Hemmung' herbeigeführten Schwäche des Staats sieht." (Krüger, Herbert: Allgemeine Staatslehre. Stuttgart: Kohlhammer, 2. Aufl. 1966, S. 945 - ein altes Buch, sicher, und ein stockkonservativer Autor, ja, aber eine Irrlehre ist es trotzdem.)

Wie gesagt, das alles kann man diskutieren, das Folgende aber nicht:

Was unter "2. Arten der Gewaltenteilung" steht, hat grösstenteils mit Gewaltenteilung nichts zu tun (ausser 2.1 sog. horizontale Gewaltenteilung). Was Gewaltenteilung ist, nämlich Existenz verschiedener Staatsorgane [17. 2. 09: korrekt müsste ich "Staatsgewalten" sagen], deren Namen jeder weiss, findet ihr bekanntlich in GG Art. 20 III, dazu als Kommentar am besten Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 20, Rz. 461ff., an neuerer Literatur z.B. Degenhart, Christoph, Staatsrecht I, Heidelberg: Müller, 2005, Rn. 260-279 = S. 90-97 (ähnlich, was an alten Sachen bei mir herumsteht, z.B. Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. Heidelberg: Müller, 1982, § 13 (neuere Auflagen wahrscheinlich genauso, habe ich aber nicht gecheckt) oder, eher liberal: von Münch, Ingo: Grundbegriffe des Staatsrechts II, 2. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer, 1982, Kapitel 4.2 und 4.3.).(...)"

Quelle: Wikipedia Diskussionsseite "Gewaltenteilung"

Der Versuch, Artikel in Wikipedia so zu gestalten, dass Sie nicht zu desaströsen Resultaten führen, wenn sie für wissenschaftliche Arbeiten einfach unreflektiert übernommen werden, ist aber wenig zielführend. Anstatt mit Studierenden darüber zu streiten, weshalb eine Arbeit auch ungenügend sein kann, obwohl korrekt zitiert wurde, würde ich empfehlen, die kritische Diskussion von Texten zu thematisieren. Nur weil etwas irgendwo geschrieben steht - und das gilt beileibe nicht nur für Wikipedia - heisst noch lange nicht, dass es einfach unbedacht übernommen werden kann.

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Politische Werbung

Zurecht stellt W in seinem letzten Beitrag die Frage, ob es Sinn macht, dass Medienhäuser einerseits beschliessen, bestimmte Inserate aus politischen Kampagnen zu veröffentlichen oder nicht, wenn genau diese Debatte öffentlich zelebriert wird. Natürlich inklusive der Abbildung der umstrittenen Plakate in redaktionellen Teil - der zumindest gemäss der lautstark proklamierten journalistischen Ethik nicht käuflich sein soll - sämtlicher Kanäle dieser Medienhäuser. So zum Beispiel bei Tamedia. Ringier scheint diesbezüglich für einmal konsequent und ignoriert das Plakat - zumindest bislang. Damit gelingt der einfachste (und wohl kosteneffizienteste) Trick der politischen PR zum wiederholten Mal. Man erstelle ein Plakat, das strafrechtlich gerade noch so zulässig sein könnte - aber zu sicher darf das nicht sein - und buche einen Inserateplatz beim Tagi, beim Blick und bei der NZZ. Die öffentliche Diskussion über diese Plakate, die lanciert wird, führt zu massenhafter Gratiswerbung, sogar in den Medien, bei denen man nicht inserieren will oder kann. Schlau ist das nicht.Das Schweizer Fernsehen berichtet sehr ausführlich und kann das Thema gleich noch in eine lächerliche Diskussionsrunde, welche eigentlich um ein harmloses, nichtssagendes Plakat der "Freidenker - Vereinigung Schweiz" zum Inhalt hatte. Interessanter wäre zum Beispiel folgendes Plakat gewesen:



Ws Vorschlag, einfach allen Parteien identische Sendegefässe in den öffentlich-rechtlichen Medien zur Verfügung zu stellen, halte ich für wenig durchdacht. Einerseits werden lokale und regionale Themen dadurch kaum berücksichtigt werden können, ausser SF stellt TSI2 ein und strahlt dafür einen Dauerpolitwerbesender aus. Oder das ganze endet mit solchen Resultaten:



Ganz schräg:



Direkte Demokratie?



Oder, ganz übel:



Dann doch noch lieber Cédric "Stolte - Benrad" Wermuth in jeder (wirklich jeder!) Sendung von SF, die nicht ausschliesslich von angestelltem Personal bestritten wird. Oder doch nicht?

Freitag, 18. September 2009

Die Qual der Wahl

Des Lokaljournalisten liebste Zeit ist der Wahlkampf in zahlreichen Gemeinden. Einerseits gibt es haufenweise Intrigen und Grabenkämpfe, das ist das Käseblatt schnell gefüllt. Andererseits füllen die Leser die Spalten gleich selber. Üblicherweise teilen bekannte oder wengier bekannte - jedoch sehr engagierte - Bürger dem geneigten Leser mit, wen sie wählen werden ("Ich kenne X. seit Jahren, er mäht jeden Samstag Nachmittag den Rasen, hängt seine Wäsche niemals am Sonntag zu trocknen auf, war 10 Jahre lang Präsident des Männerchors, ich wähle deshalb X. ins Gremium Y."). Ob sich auf diese Weise wirklich Stimmen für den bevorzugten Kandidaten gewinnen lassen, ich wage dies zu bezweifeln.

Während viele Gemeinden mittlerweile Mühe damit haben, freiwillige für die zu besetzenden Ämter zu finden, tobt andernorts der Wahlkampf auf sämtlichen Kanälen. Das mit der Wählerei ist allerdings nicht immer so einfach, wie man sich das gemeinhin vorstellt. Seit einiger Zeit werden zum Beispiel in meinem geliebten Wohnkanton Gemeinderäte und Gemeindeammäner gleichzeitig gewählt. Während früher zuerst der Gemeinderat erkoren wurde und in einem zweiten Wahlgang dann aus den gewählten Mitglieder der Amman und der Vizeamman erkoren wurden, geschieht dies nun gleichzeitig. Und das hat so seine Tücken:

"Mit der offenen Bekennung, dass Eugen Frunz nur zur Wahl als Gemeindeamman zur Verfügung steht, es aber bis heute nicht anders möglich ist, ebenfalls separat als Geimeinderat gewählt zu werden, ist es jedem Stimmberechtigten freigestellt, seine Wahl entsprechend vorzunehmen. "

Quelle: Regionalteil Baden-Wettingen der AZ vom 16. September 09, Rubrik: Briefe an die AZ, Wahlen: Was für einzelne Kandidierende spricht.


Alles klar? Die Sache ist eigentlich nicht wirklich kompliziert, allerdings eher verwirrend. In den Gemeinderat ist jeder Stimberechtigte Einwohner einer Gemeinde wählbar. Stimmen für das Amt des Gemeindeammans sind jedoch nur gültig, wenn der Wähler dieselbe Person auch in den Gemeinderat wählt. Das steht zwar gross und deutlich auf den Wahlzetteln drauf, die Wirkung scheint aber Bescheiden. Es gab mindestens einen Fall, in dem ein Kandidat, der Amman werden wollte zwar genügend Stimmen für dieses Amt gewonnen hat, aber die Wahl in den Gemeinderat halt verpasst hat. Sozusagen eine intellektuelle Selektion nach Wählerschaft.

Der erwähnte Herr Frunz hat aber noch ein zusätzliches Problem: Gemeindeamman will er werden, sollte er aber in den Rat, aber nicht zugleich als Amman gewählt werden, wird er vor seinem Amtsantritt zurücktreten. Soviel zum Thema "Respekt vor dem Volkswillen", welches von Herrn Frunz' Partei - wenn es denn gerade in den Kram passt - gerne und Lautstark in den Diskurs gebrüllt wird.

Dieselbe Ortssektion derselben Partei scheint allerdings nicht nur komplizierte Wahlkämpfe zu führen, auch bezüglich der Betreuung von Schulkindern in Tagesstrukturen der betreffenden Gemeinde scheinen merkwürdige Vorstellungen vertreten zu sein:

(...)Die Erfahrung zeigt, wenn die Eltern für die Benutzung ihrer Kinder zahlen müssen, sie diese eher nicht teilnehmen lassen (...)

Quelle: Regionalteil Baden-Wettingen der AZ vom 2.9.09, Rubrik: Einwohnerrat Obersiggenthal, SVP zur Einwohnerratssitzung


Einmal wirklich alles im Lokalteil einer Zeitung zu lesen, ist durchaus lohnenswert.

Freitag, 11. September 2009

Experte für eh alles

"Dass man nicht sich und der Welt eine Grätsche ins Hirn reissen darf, die nicht einmal das Zeug zum Spagat hat". Der österreichische Kabarettist Gunkl setzt sich in seinem Programm "Wir - schwierig" mit Intelligent Design auseinander:

Freitag, 4. September 2009

Meinungsäusserungsfreiheit, KGB und Bundesamt für Statistik

Quelle: Tagesanzeiger / newsnetz


Die Wellen gehen hoch, des Volkes Seele kocht mal wieder. Das Bundesamt für Statistik hat offenbar die Schnauze voll von Leuten, die sich weigern die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Wer nicht mit den vom Bund beauftragten Umfrageinstituten kooperiere, werde gebüsst. Ob die rechtlichen Voraussetzungen dafür tatsächlich gegeben sind, muss an dieser Stelle offen bleiben.

Erstaunlich aber die zahlreichen und vielfältigen Reaktionen auf den entsprechenden Artikel:

Die Grundsätzlichen:

"Schweizerische Bundesverfassung Art. 16 Meinungs- und Informationsfreiheit 1 Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist gewährleistet. 2 Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie u n g e h i n d e r t zu äussern und zu verbreiten. 3 Jede Person hat das Recht, Informationen frei zu empfangen, aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen und zu verbreiten. Verfassungswidrig!"


Was das genau mit dem Bundesamt für Statistik zu tun hat, was verfassungswidrig ist, was der Verfasser des Kommentars genau sagen will, ist nicht ganz ersichtlich. Aber Meinungsfreiheit ist immer gut. Jederzeit, für alle und alles:

"Jede Person muss sich ausweisen! Auch die beauftragten Telefonisten vom Bund. Da könnte ja jeder Anrufen und sagen, er sei beauftragt worden. Und so lange dieser Beweis nicht erbracht wird, kann auch nicht gebüsst werden. Ich bin der Meinung, dass diese Busse sowieso nicht rechtens ist. Es herrscht immernoch MEINUNGSFREIHEIT und meine Freiheit ist es, so eine Umfrage abzulehnen."

Sehr schöne Argumentation. Es herrscht Meinungsfreiheit. Meiner Meinung nach ist es eine Sauerei, dass ich für eine Zugfahrt Geld bezahlen muss, auf der Autobahn nicht so schnell fahren darf, wie ich will und dass ich Steuern zahlen muss. Da die Verfassung meine Meinungsfreiheit schützt, darf ich gratis Zugfahren, Rasen und Steuern muss ich auch nicht mehr bezahlen. Sehr gut.



Die Saboteure:
"Ich habe mir gestern einen grossen Würfel gekauft, den man auch am anderen Ende der Leitung gut hören wird. Uns so werde ich das machen: Mehrfachauswahl = Würfelzahl. Ungerade Zahl = Nein, gerade Zahl = Ja. 5 Zahlen in Serie = Jahreslohn. Und so weiter..."

Sehr ausgeklügelt. Doch die Angaben werden auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft. Leider scheinen Kenntnisse darüber, wie man so etwas macht, auch ohne über die "wahren" Daten zu verfügen, nicht sehr verbreitet zu sein. Das ist nicht zwingend mit aufwendigen Verfahren verbunden. Das riecht irgendwie nach Überwachungsstaat, nicht?

"Der nächste Fichenskandal ist schon vorprogrammiert. Wenn das BFS schreibt, dass die Befragungsinstitute sehr wohl Methoden haben um festzustellen, wer falsche oder widersprüchliche Angaben macht, da muss man jetzt schon über uns die Akten angelegt haben. Das ganze dient nur zur Aktuallsierung der Ordner. Die Zeiten von der Stasi und des KGB werden jetzt nur noch verfeinert. Bürger wacht auf....."

Nun, der KGB hat wohl auch massenhaft Personen überwacht, ebenso die Stasi. Daneben wurden Tausende, wenn nicht Millionen erschossen, sonstwie umgebracht, eingesperrt, verbannt. Ein Vergleich mit Telefonumfragen kommt einer Verharmlosung dieser Geschehnisse gleich. Es sei denn, die Mitarbeiter des Bundesamtes für Statistik werden demnächst bewaffnet und mit Sondervollmachten ausgestattet und im Val-de-Joux werden Straflager für Umfrageverweigerer eingerichtet.


Die Verwirrten:

"1.Kommen die Menschenrechte nur denen zugute,die es nicht verdienen.2.Hat die Befragung Vor-u-Nachteile,indem man mal die Arbeitnehmerseite zu hören kriegt,was möglicherweise die Statistik anders aussehen lässt,als diejenige der Arbeitgeber.3.War zuerst die Rede von CHF 70.-;auf der Bluewinseite von bis CHF 10'000.-4.Vermute ich, der Bund braucht schlicht u.einfach Geld!"

Sehr schön. Die Menschenrechte kommen nur jenen zugute, die diese nicht verdienen? Das besondere an den Menschenrechten ist, dass man sich diese eben genau NICHT verdienen kann oder muss. Man kann sie auch nicht verwirken oder jemandem wegnehmen. Und ein Menschenrecht auf Verweigerung von staatlich angeordneten Telefonumfragen besteht meines Wissens nicht.

Die zahlreichen Kommentare lassen nur eine Forderung zu: Niemand sollte, einfach weil er zufälligerweise von den richtigen Eltern auf die Welt gestellt wurde und es irgendwie geschafft hat, 18 Jahre alt zu werden, Stimm- und Wahlberechtigt sein.









Dienstag, 11. August 2009

Leuchtenstadt

Vorurteile? Stereotypen? Gar Rassismus? Nein, keinesfalls, es geht wohl lediglich um das Wahrnehmen demokratischer und rechtstaatlicher Möglichkeiten des einzelnen Bürgers. Damit dies dem einzelnen dann doch wieder nicht allzuviel Mühe bereitet, hat der ambitionierte Nachwuchspolitiker Anian Liebrand gleich einen Musterbrief für Anträge auf Ablehnungen von Einbürgerungsgesuchen verfasst.

Wieso eigentlich immer Luzern?

Sonntag, 9. August 2009

Schweizermacher am Werk

Wer das Schweizer Bürgerrecht erwerben will, muss zahlreiche Hürden überwinden. Absurderweise hängt die Anzahl und die Höhe dieser Hürden vorwiegend davon ab, in welcher Gemeinde jemand lebt. In letzter Zeit wurden die Anforderungen an diese Verfahren immer wieder hoch angesetzt, insbesondere verlangt die Bundesverfassung von den Behörden - in diesem Fall der Gemeinde - eine rechtlich anfechtbare Begründung im Falle eines negativen Bescheids. Daher erstaunt es nicht, dass die zuständigen Kommissionen versuchen, ihre Verfahren zu standardisieren.

Vor 30 Jahren entstand der immer noch erfolgreichste Schweizer Film aller Zeiten, "Die Schweizermacher". Die Frage indes, wie "schweizerisch" jemand denn sein muss, um in den Genuss politischer Partizipation zu gelangen, ist offensichtlich weiterhin umstritten.

Im Grunde verficht eine (politische) Mehrheit in der Schweiz das Kooptationsprinzip. Dieses besagt, dass die Mitglieder einer Gemeinschaft entscheiden, wer in ebendiese aufgenommen wird. Daher erstaunt es nicht weiter, dass die Richtlinien und Anforderungen an Einbürgerungswillige kaum geeignet sind, Aussagen über die beurteilten Personen zu machen, aber wunderbare Einblicke in die Lebens- und Vorstellungswelt der Beurteiler erlauben.

Ein Beispiel. Spreitenbach, die klassische Agglogemeinde im Aargau, benutzt zur Beurteilung der Kenntnisse der Kandidaten über Land und Leute einen Fragebogen. Aus den Bereichen "Geschichte", "Aufbau und Organisation der Schweiz" und "Integration" hat der Prüfling jeweils 10-12 Fragen zu beantworten, es werden Punkte verteilt, wer in einem Bereich ungenügend abschneidet, muss ihn wiederholen. Einige Beispiele gefälligst?

Geschichte:

- Wann wurde die Eidgenossenschaft gegründet?
- Welches waren die drei Gründungskantone?
- Erzählen sie etwas über die Schlacht bei Marignano von 1515. Was waren die Folgen?
- Wann marschierten die Franzosen ein und was waren die Folgen?
- Es sind drei Bundesverfassungen verfasst worden (schöne Formulierung, Anm. d. Verfassers), wann war das?
- Wann trat die Schweiz der/den Weltorganisation/en bei?

Aufbau und Organisation:

- Wie viele Ständeräte gibt es? Wie werden sie gewählt? Warum? (!)
- Welche Gewalten gibt es in der Gemeinde?
- Was sind die persönlichen Freiheitsrechte?

Integration:

- Wie ist der typische Schweizer?
- Was isst / hat der typische Schweizer?
- Was sind typische schweizer Sportarten?


Einige dieser Fragen sind nicht eben elegant formuliert. Die verantwortliche Behörde scheint jedenfalls nicht mit herausragender Sprachkompetenz ausgestattet zu sein, nimmt man die Erläuterungen (ab Seite 2) zu den sprachlichen Anforderungen als Massstab. Doch ihr Grundproblem liegt in einer Aufgabe, die eigentlich gar nicht zu bewältigen ist. Was ist schweizerisch? Wie ist ein Schweizer, die Schweiz? Und falls jemand glaubt, allgemeine Antworten auf diese Fragen geben zu können: Wer legt fest, ob diese wirklich richtig sind?

Freitag, 31. Juli 2009

Freitag, 24. Juli 2009

Schweinereien

Die Pandemie rollt auf uns zu, eine willkommene Gelegenheit für alle Verschwörungstheoretiker, ihre kruden Ansichten jedem mitzueteilen, der sie nicht hören will:

"Offenbar war das anfängliche Virus gar nicht sooo schädlich, wie vorausgesagt wurde.Woher dieses Virus kommt, weiss auch keiner.Laufend werden wir d. Medien konfrontiert,um zu glauben,dass es noch schlimmer kommt.Schon mal gehört von Trilateral Comission u. Bilderberger/Freimaurer, die eine Welteinheitsregierung anstreben? Die Menschheit muss reduziert werden! Eine teuflische Verschwörung! Wahr?"


Nein, nicht wahr. Aber der Autor der zitieren Zeilen, ein Herr Namens Matti Hoch, muss sich auch sofort eines besseren belehren lassen:

"@ Herr Hoch: Die Stichworte ihres Kommentars lösen bei mir einen Abwehrreflex aus. Nicht so der Inhalt. Leider. Woher das Virus kommt, ist bekannt. Dass es "bio-engeneered" ist, ebenfalls. Die per Flugzeuge versprayten Primärstoffe, die wir bereits alle eingeatmet haben, sollen in Kombination mit der kommenden Massenimpfung das Virus rasend schnell verbreiten. Vorbeugen mit kolloidalem Silber!"

Na dann Prost. Funktionieren Viren wie Zweikomonentenkleber? Primärstoffe im Flugzeug einatmen, dann den Härter geimpft kriegen, und schon ist die Menscheit ausgerottet? Nein, denn es gibt ja ein Allheilmittel: kolloidales Silber. Hilft gegen alles, hat keine Nebenwirkungen und ist volkommen ungefährlich. Echt super, das Zeug, leider verkauft die böse Pharmaindustrie uns lieber ihre schädlichen Produkte, die uns krank statt gesund machen. Aber eigentlich brauchts ja das Silberzeug auch nicht wirklich, wie ein Mitkommentator der zitierten Herren zu Protokoll gibt:

"Warum diese Hysterie? Weil man den Menschen (sanft) zwingen will sich zu impfen, schliesslich ist dies ein Wirtschaftszweig. In naher Zukunft wird's dann wohl zur Pflicht, ansonsten es bei Grippe Lohnabzug gibt... Denn die Anzahl der Toten kann es sicher nicht sein, wenn wir alleine in der kleinen Schweiz bei der normalen Grippe in der gleichen Zeitspanne schon rund 250 Tote zu verzeichen haben..."


Nun, alles in Butter. Hochwasserschutz können wir uns sparen, es ertrinken ja nicht mal hundert Kinder jedes Jahr in Bächen, ganz zu schweigen von dem enormen Aufwand, um die paar Triebtäter, die ab und zu mal jemanden vergewaltigen oder umbringen wegzusperren - lächerlich, da sterben ja an der Grippe jedes Jahr mehr Leute, ohne dass die Welt untergeht. Was der letzte Schreiber allerdings nicht beachtet: In der kleinen Schweiz wird mit mit ungefähr 7'500 Todesfällen gerechnet. In der Tat, ob es wirklich so rauskommen wird, weiss keiner. Aber das sind schon ein paar mehr als während einer normalen saisonalen Grippe (die dann auch noch dazu kommen würde).

Ich freue mich auf alle Kommentare und Leserbriefe, sollte diese Krankheitswelle auch nur die geringsten Auswirkungen auf unseren Alltag haben.

Donnerstag, 23. Juli 2009

Stammtisch

Parlamente, Gemeindeversammlungen, Abstimmungen, Vernehmlassungen, unser Staatswesen sieht zahlreiche mehr oder weniger komplizierte Verfahren vor um politische Entscheide zu fällen. Eine altbewährte politische Institution gerät dabei zusehends ins Abseits: Der Stammtisch. Die entsprechenden Ikonen werden wohl aus stylistischen Gründen oder aufgrund der zunehmend restriktiven Nichtrauchergesetzen bald nur noch in Museen anzutreffen sein wird, ein Stammtisch ist jedoch keineswegs an solch profane Symbolik gebunden.

Fragen der Gewaltentrennung, die Anwendung von Notrecht, die Verfassungsmässigkeit staatlicher Handlungen. Andere Länder unterhalten hochdotierte Verfassungsgerichtshöfe um solch schwerwiegende Fragen zu entscheiden. Weshalb sowas nicht in normalen Kleidern möglich sein soll, bleibe dahingestellt, vielleicht soll auf diese Weise die absolute Unabhängigkeit (aka Narrenfreiheit) zum Ausdruck gebracht werden. Die Schweiz hat sich in ihrer modernen Form gegen eine Verfassungsgerichtsbarkeit gestellt. Während viele Juristen dazu tendieren dies zu bedauern (aber wohl insgeheim froh sind, sich die Gewänder nicht antun zu müssen), betonen zahlreiche Politiker, dies würde dem Konzept der Volkssouveränität widersprechen. Da das Volk als höchste Instanz über alle politischen Fragen entscheiden könne, sei es nicht opportun, diese Entscheidungsmacht durch ein Gericht zu beschränken. Diese Haltung führt immer wieder zu Problemen, Volksentscheide pflegen sich immer wieder zu widersprechen. Vor allem aber besteht keine Instanz, welche in Fällen, in denen der Bundesrat ausserhalb der üblichen Prozesse mehr oder weniger weit reichende Entscheide fällt. überprüft, ob dies zu Recht geschieht und ob die Voraussetzungen dafür wirklich gegeben sind. Einige Beispiele:

Der Bund finanziert eine Kapitalerhöhung der UBS im Umfang von 6 Milliarden Franken. Gestütz auf den Dringlichkeitsartikel des Finanzhaushaltsgesetzes, welcher in Fällen, in denen die Zeit dazu nicht ausreicht, den Bundesrat ermächtigt, Geld auszugeben, ohne das Parlament vorher dazu zu befragen. Hat die Zeit wirklich nicht ausgereicht, um sich zumindest mit der Finanzdelegation der Räte abzusprechen?

Ohne gesetzliche Grundlage, direkt auf die Verfassung abgestützt, hat der Bundesrat eine Verordnung erlassen, die es Bundesbehörden erlaubt, private Firmen mittels privatrechtlicher Verträge polizeiliche Kompetenzen und Aufgaben zu übertragen. Diese Kompetenzen schliessen die Anwendung von Gewalt und den Einsatz von Waffen ein. Während die Verordnung über Höchstbestände in der Fleisch- und Eierproduktion selbstverständlich über gesetzliche Grundlagen verfügt, hat man dies im Fall der Übertragung des staatlichen Gewaltmonopols an private Akteure nicht für notwendig gehalten.

Die Anordung der Vernichtung von Unterlagen im Zusammenhang mit der Atomschmuggel-Affäre begründet der Bundesrat ebenfalls mit notrechtlichen Kompetenzen. Abgesehen davon, dass die angeblich so gefährlichen Unterlagen mindestens 2 Jahre im Besitz des Bundes waren, ohne das ein nuklearer Weltkrieg ausgebrochen wäre; abgesehen davon, dass nach der vermeintlichen Vernichtung der Dokumente Teile der Unterlagen sowohl im Rahmen eines Gerichtsverfahrens in Deutschland wie auch in einer Kiste im Archiv eines Bundesbehörde wieder aufgetaucht sind, stellt sich die Frage. ob die Sicherheit der Schweiz wirklich durch die blosse Existenz dieser Papiere gefährdet ist.

Eine Überprüfung, ob die Voraussetzungen für dieses Vorgehen jeweils gegeben war, ist nicht vorgesehen. Dabei gäbe es dafür durchaus eine geeignete Institution: Den Stammtsich. Prost.

Dienstag, 7. Juli 2009

Politische Sektierer

Wie wird man zum politischen Sektierer? Aus einem Interview des Spiegels mit Gregor Gysi, der sich mit politischem Sektierertum bestens auszukennen scheint:

SPIEGEL: Dafür, dass die linken Sektierer angeblich nur eine unbedeutende Minderheit sind, haben sie einen erstaunlich grossen Einfluss auf Ihr Programm und Ihr Personal.

Gysi: Ich erkläre Ihnen mal, wie man Sektierer wird. Man ist 19 Jahre alt, man will die Welt umkrempeln. Also sucht man Gleichgesinnte. Man hockt zusammen, schlechtester Rotwein, alles vollgequalmt, ein bisschen Petting, am Ende verabschiedet man ein Papier von 35 Seiten, in der (sic!) die Welt analysiert ist, aber haarscharf. Vom amerikanischen Präsidenten bleibt da nichts übrig. Das Problem ist nur: Der liest das nicht. Das nächste Problem ist: auch keine andere Partei. Der SPIEGEL druckt es auch nicht. Wenn man Pech hat, interessiert sich nicht mal der Verfassungsschutz für einen.


Schön, dass es der Herr Gysi, wenn sich schon der amerikanische Präsident nicht für ihn interessiert, immerhin in den SPIEGEL geschafft hat, vom Verfassungsschutz gar nicht zu reden. Da soll er - auch wenn aus heutiger Sicht auf der falschen Seite - immerhin mal sehr aktiv beteiligt gewesen sein.

Freitag, 19. Juni 2009

Sport für Journalisten

Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Es ist immer einfach, sich über Vertreter der Schreibenden Zunft aufzuregen oder deren harte Arbeit in Frage zu stellen. Doch manchmal sind Journalisten wirklich erfolgreich darin, ihre Leser zu längerem Nachdenken anzuregen.

Obwohl kein Fussballer, dachte ich, ich würde mich bezüglich der Sitten und Gebräuche in dieser Sportart einigermassen auskennen. Doch folgender Satz - aus einem Bericht von Newsnetz über das Spiel Brasiliens gegen die USA anlässlich des Confederation Cups - lies mich gründlich an meiner Fachkenntnis zweifeln:

Bei einem Corner der USA unterlief DaMarcus Beasley am gegnerischen Strafraum ein Stockfehler, Brasilien benötigte zum Abschluss von Robinho auf der Gegenseite nur drei schnelle Pässe.

Der Confederations Cup wird immer wieder auch als Gelegenheit gesehen, neue Regeln zu testen. Fussball mit Stöcken finde ich aber etwas gar innovativ. Vorstellen muss man sich das dann etwa folgendermassen:

Donnerstag, 18. Juni 2009

Bescheissen für Fortgeschrittene

In vielen Bereichen wird geschummelt, gemauschelt, beschissen und betrogen. Sobald es dabei um Geld, Macht oder beides geht, treten Leute auf den Plan, die solches Tun zu entlarven versuchen. Unis un Mittelschulen kaufen sich Software, welche Plagiate entlarven sollen. Banken unterhalten ganze Abteilungen, die Betrüger entlarven sollen. Im Bereich der Wirtschaftsprüfung hat sich eine ganze Industrie entwickelt, die nichts anders tut als entweder zu bestätigen, dass bei einer Firma alles koscher abläuft, oder aber Firmen zu beraten, wie sie vorgehen sollen, damit Mauscheleien nicht auffliegen. Zum Beispiel bei Überprüfungen durch Steuerbehörden. Dabei gelangen mathematisch anspruchsvolle Verfahren zum Einsatz, welche die Wahrscheinlichkeit, ob eine Menge von Datensätzen manipuliert worden ist, zu bestimmen versuchen. Eine solches Verfahren stellt die Überprüfung dar, ob die Datensätze dem Newcomb-Benford Law entsprechen.

Dieses Gesetz sagt für epmirische Daten die Häufigkeit einer Ziffer an einer bestimmten Stelle der Zahl voraus. Je niedriger der Wert einer Ziffer und je "weiter vorn" in einer Zahl diese steht, desto häufiger erscheint sie. So ist zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass die erste Ziffer einer Zahl aus einem Datensatz eine 1 ist, beinahe doppelt so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass dort eine 2 steht. Dies läuft der intuitiven Erwartung des Otto Normalbetrügers zuwider. Dieser versucht zumeist, durch eine möglichst gleichmässige Verteilung von Zahlen Auffälligkeiten zu vermeiden und genau damit produziert er diese.

Selbstverständllich beweisen signifikante Abweichungen von dieser Regel an sich noch keine Mauscheleien, als Hinweise darauf, welche Informationen aber eine genauere Überprüfung verdient hätten, scheint sie erstaunlicherweise ziemlich hilfreich zu sein. Folgende Datensätze sollen schon als auffällig erkannt worden sein: Die Präsidentschaftswahlen in Mexico 2006, die Präsidentschaftwahlen in den USA 2000, insbesondere in Florida (das war das mit den Papierschnipseln), die Bilanzen und Finanzunterlagen von ENRON und Worldcom.

Vielleicht hätte man das ihm auch mal erklären sollen, denn Analysen der publizierten Wahlresultate im Iran lassen die Manipulationsvorwürfe als durchaus gerechtfertigt erscheinen.

Samstag, 30. Mai 2009

Erleuchtung

Nun, nicht nur Gesundheitspolitiker oder SVP-Polteri, wir alle könnten wohl ab und zu eine Erleuchtung gut gebrauchen. Damit's ganz sicher klappt, empfehle ich:

Sollen Sie doch alle verrecken, die Sozialschmarotzer

So oder ähnlich könnte man die Haltung der SVP zur aktuell überkochenden Diskussion um das Gesundheitswesen in der Schweiz und zu unserem kranken Versicherungssystem im speziellen zusammenfasssen. Abgesehen von der Dosierung eigentlich ein klassisch homöopathisches Vorgehen. "similia similibus currentur", wie der Lateiner zu sagen pflegt. Daran ist ersichtlich, dass die Grundidee der Homöopathie aus einer Zeit stammt, in der Mediziner noch Latein konnten. Im Gegensatz dazu scheint der Vorschlag der SVP, die obligatorische Grundversicherung abzuschaffen und freiwillige, private Versicherungslösungen als einzige Möglichkeit offenzulassen, eher aus der Mottenkiste eines von Klassendenken geprägten Sozialdarwinismus zu stammen.

Nun, in einem Punkt hat die SVP tatsächlich recht: Wenn der Staat die von privat organisierten Versicherungen zu erbringenden Leistungen, den Preis dafür und die Kundschaft vorschreibt, ist es wirklich nicht einzusehen, wie in einem derartigen Umfeld Wettbewerb herrschen oder wie dieser "Wettbewerb" zu Effizienz führen soll. De facto besteht die Konkurrenz darin, dass die Kassen mit ausgeklügelten Werbestrategien, erhöhten Zugangshürden für bestimmte soziale Gruppen, Millionen an Provisionszahlungen an Vermittler sich gegenseitig die lukrativen Kunden abwerben, während die alten und kranken Leute auf der Strecke bleiben. Finanziert wird dieser Irrsinn aus Prämiengeldern. Also müssen sofort alle Einschränkungen fallen gelassen werden? Freier Markt für freie Bürger? Wie würde das aussehen?

Jeder, der schon einmal versucht hat herauszufinden, ob sich eventuell ein Wechsel des Telefonanbieters lohnen würde musste feststellen, das eine Aussage dazu faktisch nicht möglich ist. Die Tarife und Leistungen unterscheiden sich derart stark, dass ein Vergleich kaum möglich ist. Dabei geht es um vergleichsweise simple Dinge wie telefonieren, SMS versenden und mit dem schönen, neuen, teuren Gerätchen, das immer "pling" macht, eventuell noch ein wenig im Internet herumzusurfen. Man stelle sich nun vor, es gäbe keine Grundversicherung im Gesundheitsbereich. Soll ich den Herzinfarkt aus der Liste streichen, da ich als Raucher eh vorher an Krebs sterbe? Bei meinem im Moment inexistenten Liebesleben verzichte ich getrost auf Leistungen im Fall von Geschlechtskrankheiten, dafür wäre ein geringerer Selbstbehalt im Falle einer Leberzirrhose wohl angebracht. Schon heute sind weder Preise noch Leistungen vorgeschrieben im Bereich der Zusatzversicherungen. Wer sich ein Bild von der Komplexität dieser Angebote machen will, kann gerne mal hier versuchen herauszufinden, welche Zusatzversicherung für ihn am geeignetsten wäre. Die ganze Übung würde in einem Chaos enden, Leute würden glauben, sie wären versichert, die Versicherungen würden sich mit dem Kleingedruckten herausreden. Und billiger wär das ganze sowieso nicht.

Einerseits sind Versicherungen grundsätzlich gewinnorientierte Unternehmen (während Krankenkassen mit den Grundversicherungen keinen Gewinn erzielen dürfen). Wie weit Versicherungen gehen, damit sie keine Leistungen erbringen müssen, hat der Tagesanzeiger in den letzten Tagen an einem exemplarischen Fall aufgezeigt. Soche Fälle würden zu alltäglichen Eregnissen. Andererseits gäbe es eine Vielzahl von Menschen, die schlussendlich eben nicht ausreichend oder gar nicht versichert wären. Sei es aus Dummheit, aus Unkenntnis oder schlicht aufgrund der Tatsache, dass sie sich keine adäquate Versicherung leisten könnten. Das System der SVP würde funktionieren, wenn man diese Menschen dann halt einfach nicht versorgen würde. Wer nichts bezahlt oder bezahlen kann, kriegt auch keine Leistung. doch genau das darf der Staat nicht zulassen (das wäre der im vorherigen Post zitierte Artikel 12 unserer Verfassung der hier wieder zum Tragen käme). Letzten Endes müssten wohl die Sozialbehörden für diese Kosten aufkommen, damit der Steuerzahler. Der Dumme ist dann derjenige, der sich privat versichert und seine Krankheitskosten somit selber bezahlt. Alle anderen kämen in den Genuss eines vollständig aus Steuergeldern finanzierten Gesundheitswesens. Das wäre zwar einiges sozialer als die heutige Situation, da ökonomisch besser gestellte Leute mehr dazu beitragen müssten als schwächere (im Gegensatz zum heutigen System), im Sinne der SVP wär das aber wohl kaum.

Ausser man lässt sie dann halt eben verrecken.

Samstag, 23. Mai 2009

Ehre, wem Ehre gebührt

Man fühlt sich geehrt, wenn man als seriöse Quelle genannt wird. Kollege Weee tut dies ab und zu. Er zitiert in seinem Post eine Geschichte, die ich ihm wohl mal erzählt habe - eine realistische Annahme, denn ich pflege ab und zu mal jemandem etwas zu erzählen. Die Geschichte, auf die er sich erzählt, beruht auf einem Interview, das ich vor längerer Zeit einmal in einem TV-Bericht gesehen habe. Ein Journalist begleitete einen Bettler am Bahnhof St. Gallen. In dem Bericht gab der Bettler zu Protokoll, er würde im Durchschnitt so um die 300 Franken pro Tag einnehmen. Genau diese Aussage wurde dem Mann aber zum Verhängnis, seine einnahmen sanken dramatisch, er wurde nicht nur von seinen "Kunden" beschimpft, seine Kollegen warfen ihm vor, er würde damit ihre Geschäftsgrundlage zerstören.

Leider habe ich den TV Beitrag nirgends mehr finden können. Allerdings habe ich einen anderen Beitrag zum Thema gefunden, die Grössenordnung ist also durchaus plausibel.

Nun, Betteln ist jetzt wirklich kein neues Phänomen. Seit Jahrtausenden ist das Betteln in den meisten Kulturkreisen eine mehr oder weniger anerkannte Tätigkeit. Religionen sämtlicher Couleur regeln den Umgang mit Personen, die nicht in der Lage sind, selber für ihren Unterhalt zu sorgen, äusserst prominent. Das Spenden von Almosen stellt eine der 5 Säulen des Islam dar. Die Geschichten des neuen Testaments erzählen immer wieder vom Einsatz von Jesus für benachteiligte Mitmenschen, der bekannte Spruch mit dem Kamel und dem Nadelöhr ist nur ein Beispiel dafür.

Der moderne Wohlfahrtsstaat versucht, das Problem der Armut von der individuellen Ebene zu verschieben und dieses als Problem der Gemeinschaft zu interpretieren und auch kollektiv zu lösen. Die Gründe dafür sind vorwiegend in den Erfahrungen der 30er Jahre des vorletzten Jahrhunderts zu suchen. Vorrangiges Ziel bei der Einführung sozialer Sicherungssysteme war, die Auswirkungen wirtschaftlicher Krisen auf die Bevölkerung zu dämpfen und somit einen Zusammenbruch des Konsums zu verhindern. Zudem ermöglichen staatliche Sozialversicherungen dem Staat, sich die Zustimmung seiner Bürger zum politischen System sozusagen zu kaufen. Situationen wie während der Endphase der Weimarer Republik, als der demokratische Staat sich einer Merheit anti-demokratischer Parteien im Parlament und zudem Regierungen, die parlamentarsich nicht legitimiert waren (Präsidialkabinette) gegenübersah. Dies führte zu den bekannten katastrophalen Entwicklungen.

Was hat das ganze mit Bettlern zu tun?

"Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind."

Dies sagt Artikel 12 der Bundesverfassung. Theoretisch wäre es also tatsächlich so, dass niemand betteln müsste, um zu überleben. Die Streiterei fängt natürlich dann an, wenn es darum geht, was denn mit dem menschenwürdigen Dasein genau gemeint ist. Das Bier für den Alki, der nächste Schuss für den Drögeler, die Zigaretten für den Punk sind damit kaum abgedeckt. Doch eigentlich geht es bei allen Diskussionen um Bettelverbote, Rayonverbote für "Randständige" und ähnlichem vor allem um das Besetzen von öffentlichem Raum. Wer sich nicht den Vorstellungen der bürgerlichen Gesellschafte gemäss Verhält, soll dies tun können, aber bitte irgendwo, wo es keiner sieht. Die Polemik um das Bahnhofsreglement in Bern zeigten dies exemplarisch auf. Das Problem an Bettlern, Punks, Alkis etc. lässt sich auf eine wohl jedermann aus der eigenen Jugend bekannten ausspruch, vorwiegend von Müttern in Feld gebracht, reduzieren: "Mir ist es egal, wie du rumläufst, aber was denken dann die anderen von uns?" Im Gegensatz zu den Müttern scheint die Obrigkeit sich allerdings immer mehr durchsetzen zu können.

Dienstag, 7. April 2009

Kampf der Kulturen, Teil II

Neben dem wöchentlichen Kampf um Hausordnung und Waschküche gibt es selbstverständlich weit bedeutendere Probleme auf dieser Welt. Eines davon ist es, einen vernünftigen Umgang mit Informationen oder gar Wissen in der digitalen Welt zu finden. Einen Weg dazu - sogar einen sehr erfolgreichen - stellt Wikipedia dar. Genau wie in politischen Systemen erzeugt auch eine online-Enzyklopädie durch breitere Partizipation weder effizientere noch qualitativ bessere Resultate. Während im Fall der politischen Systeme die Einbindung möglichst vieler, wenn nicht gar aller von einem Entscheid betroffenen Legitimität zum Ziel hat (und nicht Effizienz, auch wenn es Leute gibt, die das immer noch nicht verstanden haben), spielt diese bei einem Nachschlagewerk nachgeordnete Bedeutung. Nur, weil viele Leute etwas für richtig. oder - bewahre - für "wahr" halten, heisst das noch lange nicht, das es relevant oder nützlich ist. Ob nun eine Kantonsschule wirklich in Wikipedia mit einem Eintrag vorübergehend ver"ewigt" wird, ist wohl eher eine Frage von PR und Marketing als des Weltwissens.

Nichtsdestotrotz hat es Philippe W.* sich nicht nehmen lassen, eine Artikel über die Kantonsschule Wettingen zu verfassen. Nach 13 Stunden hat der erste engagierte Enzyklopädist den Antrag gestellt, den Artikel wieder zu löschen. Unweigerlich führt dies unter Wikipedianern zu erbitterten Diskussionen zwischen Trollen und Nerds, auf jeden Fall zwischen Leuten, die Stolz darauf sind, Fremdwörter zu benutzen, von denen Sie wahrscheinlich im Leben keines verstehen würden, wenn sie noch ein Sozialleben hätten. Die Diskussionsseite zum Wiki-Eintrag über Nerds illustriert übrigens das Treiben von Trollen sehr anschaulich.

*Name dem Autor und wohl der Mehrheit der Leserschaft bekannt.

Freitag, 3. April 2009

Kampf der Kulturen


Bünzli? Locker drauf? Flexibel? Unordentlich? Pedantisch? Es gibt keinen Ort auf der Welt, der unterschiedliche Mentalitäten dermassen aufeinander prallen lässt, wie die Waschküche eines schweizerischen Mietshauses. Wie immer, wenn um die Verteilung von knappen Gütern gerungen wird, werden gewisse Konflikte auch externalisiert. Im Bestreben, die eigene Position durchzusetzen, wird nicht vor Versuchen zurückgeschreckt, unbeteiligte Drittpersonen zu involvieren, wie obiges Besipiel deutlich zeigt.

Man stelle sich vor, die geschätzten CHF 2.80 müssten unter nicht weniger als 10 Parteien aufgeteilt werden. Ich, so als völlig zufällig gewähltes Beispiel, habe bis vor kurzem gar nicht gewusst, dass in unserer Waschkücke Tipp-Ex zur Korrektur allfälliger Fehleinträge in der Waschliste zur Verfügung steht, ich habe einfach zur - zugegeben - brachialen Methode des Durchstreichens gegriffen. Da wäre es natürlich absolut unangebracht, wenn ich im gleichen Masse zum Ersatz des Korrekturbandes beitragen müsste wie die Hauptnutzer, welche zudem mit dem kostbaren Material in verschwenderischer Weise umgehen (siehe Abbildung !).

Was liegt da näher, als das ganze Problem einfach der zuständigen Verwaltung zu überlassen. Doch die Vehemenz, mit der dieser dreiste Versuch gekontert wird, lässt aufhorchen. Künftig wird die Mieterschaft kuschen. Aberschosicher!

Donnerstag, 2. April 2009

500 Jahre Missverständnisse

Was macht man an einem gewöhnlichen Donnerstag, wenn es nichts gibt, worüber man sich aufregen kann, Aufregung aber irgendwie nötig wäre? Kein Problem, man geht zum Kiosk und kauft sich eine Weltwoche. Genau das habe ich letzte Woche gemacht, es hat prächtig funktioniert. Schon der erste Arikel nach Roger K.'s üblichem Gebrabel im Editorial liefert Stoff für eine Entgegnung, die mehr als einen Eintrag an dieser Stelle Wert wäre.

Markus Somm veröffentlicht auf S. 11 einen Kommentar zum Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz. Da der Artikel online nicht zugänglich ist (ausser für Abonnenten, aber da outet sich ja wohl eh keiner), erlaube ich es mir, einen Ausschnitt zu zitieren:

"Schliesslich - und das ist der legitime Kern der Abwehr - steht Steinbrück für eine Tradition, die die Schweizer seit je verabscheuten. Fast wie eine Karikatur verkörpert er den autoritären Steuerstaat, der den Bürger plagt. Gegen die Obrigkeit, gegen den Adel und die Fürsten, die ungefragt Steuern erheben wollten, schlossen sich die Schweizer einst zusammen. Im Schwabenkrieg (1499) trennte sich die Eidgenossenschaft faktisch aus dem Deutschen Reich, nicht aus kulturellen Gründen, sondern aus politischen. Die Schweizer standen für die Freiheit, ihre Steuern selber festzusetzen und abzuliefern. Im Süddeutschen Raum lautete der Schlachtruf der Bauern, die sich gegen ihre Fürsten wandten: "Wir wollen Schweizer werden!" (...)"

Ein halber Abschnitt, jeder Satz zeugt vom intellektuellen Dilettantismus des Autors.

In welcher Tradition steht Herr Steinbrück denn? "Deutschland", in dem Sinne, in dem wir es heute kennen, besteht eigentlich seit 1990. Das Grundgesetz, das den Staat "Bundesrepublik Deutschland" begründet, besteht seit 1949. Mit dem Schwabenkrieg, dem Deutschen Reich oder der Entstehung der alten Eidgenossenschaft hat das nicht wirklich etwas zu tun. Mit viel gutem Willen könnte man im Sinne einer Verwaltungstradition das zweite Deutsche Reich als staatliches Vorgängerkonstrukt der BRD bezeichnen, aber auch das bestand erst nach 1871.

Der Schwabenkrieg war im Kern auf Konflikte zwischen dem Haus Habsburg und den Eidgenossen zurückzuführen. Maximilian I., ein Habsburger, war als König des "Römisch-Deutschen Reiches" vor allem um den Ausbau seiner Ländereien bemüht, um Steuern gings da schon mal gar nicht. Die Eidgenössischen Stände genossen innerhalb des Reiches vor und nach dem Konflikt grosse Eigenständigkeit -wie viele andere Gebiete auch -, waren aber bis 1648 ein Teil des Reiches.

Haben sich die Schweizer - gegen wen auch immer - denn zusammengeschlossen, um selber ihre Steuern und Abgaben festzulegen? Der Zusammenschluss der Gebiete, die heute die Schweiz bilden war ein Prozess über Jahrhunderte. Dies auf eine einzige Ursache zu reduzieren, scheint gewagt. Vor allem inakzeptabel ist ein implizit ewigwährendes Staatsbild von Bürgern, die in Steuerfragen - und selbstverständlich in allen anderen Fragen auch - in voller Vernunft sich frei an allen Entscheidungen beteiligen können. In der alten Eidgenossenschaft waren die meisten Einwohner an politischen Entscheidungen überhaupt nicht beteiligt. Selbst in den Landsgemeindeorten waren nur Bürger der Stammlande, die über ein gewisses Vermögen verfügten, Stimmberechtigt, von den Untertanengebieten, über die auch diese Orte verfügten, ganz zu schweigen. Die "alten Orte" pflegten mit der Zeit - ganz im europäischen Trend - ein absolutistisches Staatsverständnis. Im Unterschied zu den Monarchien war die herrschende Elite einfach etwas zahlreicher, der Souverän nicht auf eine einzige Person beschränkt. Demokratisch im heutigen Sinne war das nicht, und die Bauern oder wen auch immer zu fragen, ob die Steuerbelastung so in Ordnung sei, hätte damals im besten Fall zu Gelächter geführt. Weshalb hätten denn die ach so freien, demokratischen und unabhängigen Bauern Kriege gegen ihre Obrigkeit führen sollen?

Das nur einige Punkte zu den 3 Sätzen von Somm, es gäbe noch einiges aufzuführen. Doch eigentlich geht es doch nur um eines: Man sollte tagesaktuelle politische Diskurse nicht aus der Geschichte heraus führen - schon gar aus dem heraus, was man in seiner ideologischen Verblendung eben für Geschichte hält.

Die Spannungen mit Deutschland haben weder mit Adel, mit Obrigkeit oder mit jahrhundertelanger Geschichte zu tun, sondern mit politischen Differenzen hier und heute. Die Aufregungen darüber basieren jedoch vor allem auf den Mythen über unser Land und über andere, welche in vielen Köpfen leider immer noch als Tatsachen verankert sind.

Samstag, 21. März 2009

Ein Arbeitstag bei NEWSNETZ

08:30: Beim Morgenkaffee diksutiert Hubert M. mit seinen Kollegen die Presse des letzten Tages:

"Hast Du die Weltwoche gelesen? Die haben was geschrieben von wegen Polizei und geheim oder so. Da könnte man doch was drüber machen, das ist sicher aktuell. Weiss da jemand was?"

09:00: Nach einer aufreibenden Recherche stellt Hubert M. erleichtert fest, dass a) FEDPOL tatsächlich die Bezeichnung für das Bundesamt für Polizei ist, b) eine Medienmitteilung zum Thema veröffentlicht wurde und c) das das ganz sicher eine Reisensauerei am laufen ist. Neben der Kaffeemaschine trifft er den Volontär, der seit Montag auf der Redaktion arbeitet:

"Du, ruf doch da mal an, wir müssen mehr wissen, Weisst Du, so Grundlagen, wer hat's erfunden und so. Am besten, die liefern massig viel Text, sonst müssen wir uns am Ende noch selber was aus den Fingern saugen"

10:00: In der Kaffeepause bespricht Hubert M. den Stand der Recherche mit dem Volontär.

"Staatskalender? Ich weiss doch, wann der 1. August stattfindet. Niemand hat abgenommen? Was ist das den für ein Sauladen, wir brauchen doch heute noch einen Artikel, was denken die sich denn. Such mir doch in dem Staatsdings mal den Chef von denen raus, und mach mal Druck bei der PR-Susi, gell?"

11:00: Hubert M. trifft in der Rauchpause einen Kollegen:

"Der Laden von der Schlumpf, die haben ja wohl gar nichts im Griff. Hast Du die Medienmitteilung mal gelesen? Also ehrlich, die sollten doch wissen, dass keiner mehr als 10 Zeilen liest. Und dann noch diese Abkürzungen, BStP, BA, IRSG? Da vergeht einem das Lesen doch sofort. Mitagessen wieder beim Italiener? Dieses Mal bist Du dran mit dem Wein."

13:45: Hubert M ist zurück im Büro.

"Wo ist denn dieser - wie heisst doch der Volontär schon wieder? Ausbildung? "Konsistentes Schreiben als Journalist"? Das ist doch für gar nichts. Das haben wir ja schliesslich auch ohne teurer Kurse gelernt, oder?"

14:30: Huber M. versucht, die mails in seiner Inbox zu sortieren. Sein Telefon klingelt.

"Markus? Ja, wie gehts. Du hör mal, diese Polizeikiste da in Bern, die rauben mir noch den letzten Nerv. Aber der Italiener, der hat einen neuen Grappa reingekriegt, traumhaft sage ich Dir. Wie jeden Freitag um 18 Uhr? Ich bin dran mit Bierzahlen, OK? du, wart, schreibt man Telefon jetz mit "f" oder mit "ph"? Du weisst es auch nicht? Ach, egal."


14:35: Hubert M. stell der Pressesprecherin ein Utlimatum.

"Bis 17:50 muss ich diese Antworten haben, dann reichts noch um den Bericht zu posten, und ich komm nicht zu spät zum Feierabendbier. Diese Zwahlen, jetzt grüsst nicht mal mehr anständig"

15:00: Kaffeepause mit Kollegen.

"Ich weiss nicht, ob es da noch was wird mit dem Hintergrundbericht, die sperren. Die haben was zu verbergen, glaub's mir. Aber so müssen die mir nicht kommen, ich hab schon einen Plan B, der Text steht schon, muss nur noch die Abschnitte sortieren, die werden sich noch wundern."

Ungefähr so stell ich mir, als journalistischer Laie, die Entstehung von Artikeln in Onlineredaktionen schweizerischer Medienhäuser vor. Anders ist sowas nicht zu erklären. ein Satz ohne verb, das kann ja mal passieren, das mit dem Telefon (oder so) auch. Und wenn man sich dann schon mal so schön in Rage gebracht sieht, kann ja auch mal die Chronologie ein bisschen durcheinandergeraten.

Aber erschreckend ist eigentlich die Erwartungshaltung. Die Behörde hat für jedes Medienhaus einen Pressesprecher anzustellen. Der sitzt dann in Bern im Büro und arbeitet den ganzen Tag an fundierten Berichten und kritischen Artikeln über den eigenen Arbeitgeber, um diese bei Bedarf den Journalisten möglichst Pfannenfertig zu liefern. Das wäre sicher sehr effizient.

Freitag, 20. März 2009

"Im Notfall einen Krieg riskieren"

Der zweitbeste Bundesrat aller Zeiten, seines Zeichens Erschaffer der besten Armee der Welt, unterliegt mit seinen Ansichten immer mal wieder im Bundesrat. Dabei wäre er der Mann, der Peer "der Peitsche" Steinbrück Paroli bieten könnte. Schon vor Jahren forderte er harte Retorsionsmassnahmen gegen Deutschland, damals gings nicht einmal um Steuern, sondern um Flugbewegungen.

Man stelle sich vor, Franz Müntefering, Chef der SPD, würde gegenüber der ARD zu Protokoll geben, das Problem der Steuerflucht von Deutschen in die Schweiz müsse halt, sollte sich diese nicht kooperativ verhalten, militärisch gelöst werden.......

Absurd? Nicht in der Schweiz, wie dieses Interview aus dem Jahre 2003 zeigt.(Quelle: SF DRS, 10vor10 vom 7. Mai 2003).

Wirkungsmacht

Es ist immer wieder erstaunlich, wie gross die Wirkung eines Postings von mir trotz der wohl nicht gerade enormen Anzahl an Lesern dieser Zeilen sein kann.

Montag, 16. März 2009

Beten gegen den Impfzwang

Dr. med. Yvette Estermann ist Nationalrätin und vertritt die SVP Luzern in Bern und ist Präsidentin der Kantonalpartei. Als homöopathische Arztin weht sie sich in ihrem Blog vehement dagegen, Masernimpfungen für obligatorisch zu erklären. Ihre Argumente kann ich hier nicht sinngemäss wiedergeben, da ich darin keinen Sinn finden kann, daher bleibt nur der etwas umständliche Weg des kompletten Zitats:

"Ich selber hatte alle „Kinderkrankheiten“, die man nur bekommen konnte. Eine lebenslange Immunität ist ein Geschenk! Von der Erfahrungen, welche wir in den Genen weiter geben, profitieren unsere Nachkommen. Schwächen und Krankheiten, die man überwindet, gibt man als Stärke an die eigenen Kinder weiter."

Nun, von einer Arztin, die davon ausgeht, dass "Erfahrungen" in unseren Genen an unsere Kinder weitergegeben werden, würde ich auch keine Kinder impfen lassen. Ein derartiger Mangel an biologischen Grundkenntnissen müsste eigentlich einen Entzug der Praxisbewilligung zur Folge haben. Doch es geht Frau Estermann nicht nur darum, den menschlichen Genpool zu optimieren (dafür gäbe es weitaus hässlichere Ausdrücke, die ich der Frau Nationalrat jedoch nicht unterschieben will). Letztendlich relevant sei nur Überleben der Menschheit:

"Die Menschheit hat im Mittelalter sogar die Pest überlebt! Obwohl es damals noch keine Impfungen gab, überlebten oft sogar Familien-Angehörige der Erkrankten diese hoch ansteckende und tödliche Krankheit. Übertreiben wir nicht mit dem Impfen unser „Sicherheits-Denken“?"

Klar, die Menscheit wird wegen der Masern kaum aussterben. Ein paar Rasertote, ein paar Millionen verhungerte Kinder in der Dritten Welt, eine kleine Schiesserei in Kriens, alles Peanuts, die Menschheit wirds überstehen. 25 Millionen Tote in 5 Jahren Mitte des 14. Jahrhunderts, kein Problem für die Menschheit. "Sicherheits-Denken" ist bei dieser Argumentation nicht relevant, Denken allein hätte auch schon ausgereicht.

Doch Denken ist nicht wichtig, Frau Estermann betet. Als "offizielle Beterin im Bundeshaus" bittet Sie Gott um Kraft:

"Alles, was wir Politiker brauchen in dieser bewegten Zeit, ist Kraft. So haben wir gemeinsam gebetet, dass die Parlamentarier und die Regierung genug Kraft erhalten, um für die Zukunft unseres Landes das Beste zu tun!

Lächerlich? Unnötig? Von wegen! Wie mehrere Studien beweisen, verbessert sich sogar der Gesundheitszustand der Kranken, für welche gebetet wird."

Unsere Parlamentarier und unsere Regierung ist also krank. Worunter sie leiden, wird aus den Ausführungen leider nicht ganz klar, aber es ist gut zu wissen, das sie nichts zu befürchten haben, das Frau Estermann um ihre Gesundheit besorgt ist. Aber eigentlich ist ein bisschen beten doch Mumpitz. Dafür gibt es Spezialisten, die durch yogisches Fliegen die "Unbesiegbarkeit" der Schweiz herbeimeditieren. Das ganze ist jedenfalls bestens wissenschaftlich bewiesen.
Doch das grösste und wohl wichtigste Anliegen, wie soll es denn anders sein, ist das folgende:

"Die Schweiz soll wieder das werden, was sie früher einmal war: Eine Perle der Freiheit, der Demokratie, des Friedens und der Sicherheit!?"

Yvette Estermann lebt seit 1993 oder 1994 - leider sind die diesbezüglichen Angaben auf ihrer Hompage nicht eindeutig- in der Schweiz. Sie muss es also bestens wissen, was die Schweiz denn früher einmal gewesen sein soll. Eine Perle der Freiheit, der Demokratie, des Friedens und der Sicherheit. Das Fragezeichen zum Schluss scheint mir berechtigt.



Montag, 2. März 2009

Bist Du schon tot oder lebst Du noch ?



Die beste Armee der Welt übt Krieg. Schade hat keiner mit "ja, ich bin tot" geantwortet. Vielleicht sollte sich der zweitbeste Bundesrat aller Zeiten mal überlegen, seine Soldaten in Zivil in den Krieg statt in den Ausgang zu schicken.

Dienstag, 24. Februar 2009

Darwin's Birthday

Der berühmte Spruch über "the survival of the fittest" stimmt mich angesichts der laufenden Ausgabe des Zischtigclubs einigermassen nachdenklich. Wenn diese langweiligen Figuren die wirtschaftspolitische Elite unseres Finanzplatzes darstellen, ist es wohl um das überleben desselben nicht zum allerbesten bestellt. Viel ergiebiger scheint da dieses Quiz auf Spiegel-Online.

Trotzdem einige Gedanken zur aktuellen Hysterie wegen ein paar US-Amerikanischen Multimilliardären, die bei ihren Steuererklärungen beschissen haben:

1. Entweder, man mauschelt bei der Steuererklärung, oder man deklariert sein Vermögen und seine Einkünfte wahrheitsgemäss und zahlt die entsprechende Zeche. Die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung ist spitzfindig und - abgesehen von einigen Steuerrechtlern und Bänklern - eigentlich von niemandem nachzuvollziehen. Ein Abrücken davon würde nicht nur zentrale politische Probleme lösen, sie wäre politisch ohne weiteres durchsetzbar. Sogenannte "Steueroptimierungmöglichkeiten" für Spitzenverdiener sind in der Bevölkerung nicht mehr mehrheitsfähig. Das grösste Problem dabei wäre wohl, den USA, der EU und der OECD zu erklären, was das genau bedeuten würde, da das schweizerische Konzept trotz jahrelangen Bemühungen und Erklärungsversuchen nicht verstanden wurde.

2. Gegen eine Firma, die systematisch Gesetze bricht, muss zwingend aufsichtsrechtlich vorgegangen werden. Entweder hat die heutige Spitze seit Jahren gewusst, das widerrechtliche Geschäftspraktiken systematisch angewandt wurden. In diesem Fall sind zumindest Marcel Rohner und Peter Kurer nicht mehr tragbar. Oder aber die beiden haben in ihren vormaligen Funktionen als Leiter der Vermögensverwaltungssparte (Rohner) beziehungsweise Chefjurist (Kurer) nichts von den Mauscheleien beim off-shore Geschäft mit US Privatkunden gewusst. Dies würde aber bedeuten, dass beide in ihren Funktionen versagt haben. Ob sie dadurch gegenüber der UBS - und somit letztlich leider auch dem Steuerzahler gegenüber - schadenersatzpflichtig würden, wäre zumindest zu prüfen. Immerhin kostet die ganze Geschichte die UBS nicht nur Kunden und dutzende Millionen an Anwaltskosten, sondern auch beinahe eine Milliarde Franken Busse. 6 Milliarden vom Bund, 4 Milliarden "leistungsabhängige individuelle Vergütungsanteile", 1 Milliarde Busse.... Man rechne.

3. Im Zusammenhang mit den schon länger anhaltenden Spannungen um das Schweizer Bankgeheinmis, es sei hier an Peer "die Peitsche" Steinbrück erinnert, wird von bürgerlicher Seite immer wieder das Argument vorgebracht, die Straflosigkeit von Steuerhinterziehung sei ein Zeichen des Vertrauens des Staates in den Bürger. Weshalb hat dieser Staat dann das Prinzip der Verrechnungssteuer eingeführt? Dies wäre folglich ein klarer Misstrauensbeweis des Staates den Bürgern gegenüber und gehörte abgeschafft. Meines Wissens war eine Abschaffung dieses Steuersystems selbst in den Hochzeiten des Neoliberalismus und trotz jahrzehntelanger bürgerlicher Dominanz in der Schweiz nie ein Thema.

4. Es gibt offenbar Personen, die sogar die Entstehung der Schweiz auf Steuerpolitische Probleme zurückführen. Diese betreiben dubiose Webseiten mit vielen Schreibfehlern.

5. Die Rechtschreibeprüfung von Blogger.com taugt nicht wirklich viel.

6. Wer mehr über die Finanzkrise wissen will, soll sich das Filmchen angucken (OK, das hab ich bei Kollege Weeee abgekupfert, ist aber trotzdem sehr anschaulich)

The Crisis of Credit Visualized from Jonathan Jarvis on Vimeo.

Samstag, 7. Februar 2009

Erneute e-Satire?

"Intelligente Menschen gegen Links", so das Motto von Winkelried.info, im Jargon auch "Winki" genannt. Dabei offenbart sich sensationelles. Entweder sind, unbemerkt von der Presse oder der Bevölkerung, tausende von strammen Eidgenossen nach Panama oder in die USA ausgewandert, von wo sie emsig den Zerfall der Schweiz kommentieren. Oder die Besucher der Seite verstossen täglich zu tausenden gegen die Nutzungsbestimmungen der Diskussionsseite.

Wieso wird eine Seite wie diese von Panama aus betrieben? Zwei Gründe sind denkbar. Zum einen erschwert dieses Vorgehen, herauszufinden, wer denn diese Seite wirklich betreibt. Es erscheint allerdings nicht gerade der vielgelobten Schweizerischen Diskussionskultur zu entsprechen, sich nicht namentlich zu äussern bzw. sich hinter einem Briefkasten in Panama zu verstecken. Vielleicht schämen sich die Betreiber auch einfach ihrer Haltung, auf die sie sonst so Stolz sind.

Der zweite Grund ist rechtlicher Natur. Verstösse gegen Schweizer Recht sind wohl kaum zu ahnden, in vielen Bereichen verfügt Panama über keine oder deutliche liberalere Regeln als die Schweiz, zudem wird sich dort kaum jemand für diese Seite interessieren, abgesehen von den über 7'000 natürlichen oder juristischen Personen deutscher Muttersprache, schon gar nicht die Behörden. Wer ist eigentlich die Mutter einer Juristischen Person? Aber zurück zum Thema: Fürchten sich die Betreiber der Seite vor der Schweizerischen Justiz? "Wer die Schweizer Rechtsordnung einhält und sich bewährt, hat nichts zu befürchten. Wer aber bei Begehung von Straftaten, [...], einer drohenden Ausweisung aus unserem Land zu entgehen versucht, indem er sich hier einbürgert, hat keinen Schutz verdient" fordert Winkelried für eingebürgerte Schweizer. Der aufrechte Eidgenosse entzieht sich hingegen den Regeln, die in diesem Land für alle gelten, indem er seine Diskussionsräume der hiesigen Rechtsprechung zu entziehen versucht. Klar, es geht keineswegs um Gewallttaten oder schwere Delikte. Aber feige ist es trotzdem.

Freitag, 6. Februar 2009

Ja, Nein, Vielleicht

"Wollen Sie den Bundesbeschluss vom 13. Juni 2008 über die Genehmigung der Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten sowie über die Genehmigung und die Umsetzung des Protokolls über die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Bulgarien und Rumänien annehmen?"

Was "Nein" als Antwort auf diese Frage denn genau heissen soll, darüber streiten sich zwar nicht die Geister, aber die Politiker. Gewisse Leute behaupten, "Nein" würde in diesem Falle "Ja, aber nicht so", oder wahlweise "Ja, aber nicht das" bedeuten. Es ist so eine Sache mit dem "Volkswillen".

Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass der Bundesrat im Falle einer Ablehnung die EU nicht formell über diese Tatsache in Kenntnis setzen würde, geht das ganze nicht auf. Das entsprechende Szenario sieht vor, in diesem Fall eine neue Abstimmung mit zwei Vorlagen - Weiterführung der Personenfreizügigkeit sowie die Erweiterung auf Bulgarien und Rumänien - abzuhalten. Dabei würde die SVP die Weiterführung unterstützen, die Erweiterung jedoch ablehnen. Was wäre die Folge? Die EU und die EU-Staaten würden mit Sicherheit eine Ungleichbehandlung nicht hinnehmen. Die Vorstellung, unter diesen Voraussetzungen Verhandlungen mit 27 Staaten zu führen, die zu einem für die Schweiz vorteilhafteren Ergebnis führen sollten, ist einfach illusorisch. Abgesehen, dass sowas Jahre dauern würde, dass die Schweiz über Themen diskutieren müsste, die sie wie der Teufel das Weihwasser fürchtet, ist anzunehmen, dass keine Lösung gefunden werden kann, die im Sinne der SVP besser wäre.

In diesem Fall ist zu befürchten, dass die EU militärisch intervenieren wird. Aber keine Sorge, bis dann werden wir die beste Armee der Welt haben.