Mittwoch, 25. November 2009

Logik und Politik

Seit Emil's legendärer Darstellung eines typischen Wahlverlierers bieten sich die immergleichen Bemerkungen von Politikern zu Abstimmungsresultaten als dankbarer Stoff für mehr oder weniger hämische Kommentare an. Ein aktuelles Beispiel lieferte der geschätzte Mitblogger W vor einiger Zeit. Das dieses Thema in einer Einführung in die Grundlagen der Rhetorik münden würde, war nicht vorauszusehen, den aktuellen Stand des Disputes möchte ich an dieser Stelle jedoch zitieren:

"Ich kann gerne bestätigen, dass ich keineswegs Philippe Wampfler, mit diesem auch nicht verwandt, verschwägert und schon gar kein Zwilling. Wir kennen uns, sind uns öfters in politischen und anderen Fragen durchaus uneins, was immer wieder in anregenden Disputen endet. Gemeinsam haben wir aber das Bedürfnis, die eigene Position vernünftig zu begründen. Ohne auf Ihre letzten Kommentare inhaltlich einzugehen (ich werde dies, sollte ich die Zeit dazu finden, später gerne tun), erlaube ich mir den Versuch, zu erläutern, was zumindest ich – und ich entnehme dies seiner letzten Wortmeldung- wohl auch Herr Wampfler, auf einer grundsätzlicher Ebene gegen Ihre Positionen einzuwenden haben. Weil der Vorwurf an Sie, Ihre Position sei menschenverachtend sich auf Ihre inhaltlichen Aussagen bezieht, werde ich mich vorläufig auf den Vorwurf, Sie würden irrational argumentieren konzentrieren.

Rationale Argumentation beruht gemäss dem klassischen Verständnis auf der Vorstellung, eine These durch eines oder mehrere Argumente zu beweisen. Ein Argument stellt dabei keineswegs einfach eine beliebige Behauptung dar, sondern besteht aus zwei Teilen, aus einer oder mehreren Prämissen – also einer Annahme oder einer Aussage- und einer Konklusion, einer Schlussfolgerung. Beides kann wahr oder falsch sein, was sich unterschiedlich auf die Gültigkeit des Arguments auswirkt:

- „Alle Menschen sind sterblich“ (Prämisse).
- „Ich bin ein Mensch“ (Prämisse).
- „Ich bin sterblich (Konklusion).

Dabei können zwei Dinge schiefgehen: Eine oder mehrere Prämissen können sich als unwahr heraustellen, oder die Schlussfolgerung kann falsch sein, letzteres stellte dann einen Fehlschluss dar. In einem Disput wird meistens davon ausgegangen, dass eine Prämisse als wahr betrachtet werden darf, wenn beide beteiligten Parteien sich darin einig sind. Der Schluss ist als gültig zu betrachten, solange es nicht gelingt, den Schluss als falsch zu belegen. Gelingt dies nicht, resultiert aus wahren Prämissen eine wahre Konklusion. Umgekehrt gilt jedoch nicht zwingend, dass eine Konklusion aus mehreren Prämissen zwingend falsch ist, wenn nicht sämtliche Prämissen wahr sind. Sind jedoch sämtliche Prämissen falsch, resultiert auf jeden Fall eine falsche Konklusion, unabhängig davon, ob ein Fehlschluss vorliegt oder nicht. Und darauf will ich eigentlich hinaus:

Was ich ausführlich zu erreichen versuchte, waren vornehmlich eines: Ich habe Ihre Prämissen zurückgewiesen. Auf unsere Differenz bezogen, könnte man das so umschreiben:

-“Einzig die SVP betreibt rechte, bürgerliche Politik“ (Ihre Prämisse, von mir als falsch erachtet)
-“Jede politische Position, die nicht derjenigen der SVP entspricht, ist links“ (Dies ist ein Prämisse, welche aus meiner Sicht von Ihnen als Konklusion betrachtet wird. Von mir ebenfalls bestritten).

- „Es gibt ausser der SVP nur linke Parteien“ (Schlussfolgerung, von Ihnen ausführlich erläutert).

Unsere Hauptdifferenz besteht also nicht in der Schlussfolgerung. Bevor wir uns darüber streiten, ob Ihre Schlussfolgerung richtig oder falsch ist, müssten wir uns auf Prämissen einigen, von denen wir beide denken, dass sie wahr sind. Bezogen auf den erwähnten Diksussionspunkt würde ich folgendes Vorschlagen:

Sie definieren, was Sie allgemein (und nicht auf spezifische Sachfragen oder Beispiele bezogen) was sie unter linker politischer Ausrichtung verstehen. (Prämisse: Links ist ……) Ein einfaches Mittel dazu findet sich hier (damit wäre ich übrigens sofort einverstanden).

Sollten wir uns auf eine Definition einigen können, könnte die jeweilige politische Ausrichtung der von Ihnen als links bezeichneten Organisationen aufgrund dieser Definition überprüft werden. (Prämisse: Organisation X ist links).

Diese Prüfung müsste für alle von Ihnen als links bezeichneten Organisationen durchgeführt werden. Für die SVP wäre eine Prüfung zwar interessant, aber das Resultat (rechts) wird von keinem von uns bestritten.

Sollte dann in allen Fällen resultieren, das es sich um linke Organisationen handelt, abgesehen von der SVP, kann ihre Aussage als gültig betrachtet werden, ich würde mich geschlagen geben.

Zugegeben, das ist kein einfacher Prozess. Aber er führt zu Resultaten und insbesondere dazu, dass sich eine Diskussion eben um Argumente und nicht einfach um immer wieder zu wiederholende Glaubenssätze dreht, die man sich gegenseitig an den Kopf wirft ohne jegliche Aussicht auf ein Resultat, weder für die Beteiligten noch für Dritte, welche sich Erkenntnisse aus dem Disput erhoffen."


Falls jemand das Bedürfnis verspüren sollte, sich mit mir über eristische Dialektik austauschen zu wollen, stehe ich gerne zur Verfügung.

1 Kommentar:

  1. Nur ein P.S., da wir rhetorisch und inhaltlich völlig übereinstimmen (zumindest nach außen hin), bin ich natürlich völlig einverstanden - aber es würde schon reichen, wenn man die Semantik von »links« analysierte.
    In rechtspopulistischer Sprechweise heißt »links«: Dafür, dass der Staat soziale Aufgaben wahrnimmt (egal in welchem Ausmass) - oder allgemeiner: Dem Staat gegenüber positiv eingestellt. Damit ergibt sich sofort, dass nur die SVP »nicht-links« ist.

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