Dienstag, 20. September 2011

Service Public

Nun also auch die grosse "Cross-Media" offensive des SRF -wie das öffentlich-rechtliche Mediennunternehmen mittlerweile heisst. Während zweier Wochen werden Sendungen für Radio und Fernsehen auf dem Bundesplatz in Bern produziert. Was ist das Ziel der ganzen Übung?

"Damit bringt SRF den Wahlkampf live vor jenes Gebäude, in dem die Wahlkandidatinnen sowie -kandidaten Einsitz nehmen wollen – das Bundeshaus. Ziel von «Treffpunkt Bundesplatz» ist auch die Begegnung von Bevölkerung, Politik und Medien."
Das ist ja weltbewegend. Abgesehen vom nicht unerheblichen Aufwand werden die Kandidaten und Kandidatinnen sich natürlich viel athentischer und aussagekräftiger geben, wenn sie das Bundeshaus im Rücken haben, als wenn sie einfach in einem bestehenden Studio Auskunft geben. Bezüglich der "Begegnung mit den Medien" (also mit den SRF-Medien, jedenfalls habe ich noch keinen Redaktor der NZZ oder ein Kamerateam von TeleZüri oder so gesehen) lässt sich festhalten, dass die Idee, eine TV Sendung zu produzieren, indem sein Personal während der Arbeit an einer Radiosendung filmt einfach nicht bewährt. Ungeachtet der Tatsache, dass eine Zusammenarbeit der verschiedenen Bereichen organisatorisch durchaus Sinn machen kann, ist das schlicht und einfach langweilig. Man stelle sich vor, ein (natürlich vollkommen fiktiver - jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist rein zufällig) Medienunternehmer würde ein gleiches Projekt für seine Zeitung und sein Radio organisieren.

"Das Studio, das trotz einigen Versuchen, es modern erscheinen zu lassen, den Charme von transparenten Baustellencontainern versprüht, steht mitten auf dem Bundesplatz. Techniker verlegen hektisch die letzten Kabel, der Moderator bereitet sich, den Kopfhörer routiniert an der Frisur vorbei zirkelnd auf seinen Einsatz vor. Während der nächste Gesprächspartner von einem Techniker und einem Redaktionsmitglied über den Ablauf des Gesprächs und die technischen Details aufgeklärt wird, läuft ein weiteres Beispiel von Schweizer Politsongs. Der Tweet von @buenzli zur vorhergehenden Stilkritik von Politikern: "Was der Geri Müller anhatte letzte Woche, ein Freizeit t-shirt, dazu noch mit Flecken" trägt zur allgemeinen Meinungsbildung erheblich bei [...]"

Will das jemand lesen? Eben.

Die Begegnung mit der Bevölkerung spielt sich bei der ganzen Sache auf zwei Ebenen ab. Einerseits die sattsam (von den Spenden-PR-Eigenwerbungsveranstaltungen gleichenorts) bekannten Gesichter, die in den Glaskasten glotzen. Und heraus. Dazu kann man Föteli von sich machen in einer Fotobox (früher hätte man diesbezüglich Bedürfnisse auf einer Toilettenwand mit einem Filzsitft festgehalten: "René war hier"). Die Möglichkeit, ein Video mit einem Statement aufzunehmen besteht auch, die Demonstration der Reporterin, wie das funktioniert ("So, und jetzt muss man nochmals das Fusspedal drücken, obwohl das nicht geht, wenn man da steht wo man hinstehen sollte, aber man kann ja wieder zurück. Dann blinkt das rote Lämpchen, wie im richtigen Fernsehen.") erklärt vielleicht, dass bisher keine dieser Filmchen online zu finden sind. Dafür weltbewegende Statements von "SRF Promis" über ihre Herkunftskantone. Die Hauptsächliche Beteiligung spielt sich auf den entsprechenden social-media plattformen ab. Twitter, facebook, etc.. Dass sich die Diskussion nur auf externen Plattformen führen lässt, wo Sie von der gesamten "followership" beziehungsweise allen "Freunden" nachverfolgt werden kann, egal ob sich diese dafür interessieren oder nicht, erscheint bedenklich. Was, wenn ich mich zu einem Thema äussern oder eine Diskussion führen möchte, ohne das ich dies gleich ganzen Umfeld auf's Gesicht drücken möchte?

Reduziert sowas die oft postulierte "Politikverdrossenheit" ("Ungefähr 136'000 Ergebnisse in 0.018 Sekunden", gemäss Google)? Kaum. Es schafft einfach eine zusätzliche Plattform für Trolle, Sockenpuppen und Astroturfer.

Nachtrag:

Luhman hatte doch recht mit den selbstreferenziell funktionierenden Systemen. Eben wurde in der im Fernsehen ausgestrahlten Radiosendung die Reaktion von Newsnetz auf ebendiese Sendung vorgelesen........