Dienstag, 26. Juli 2011

Blaming the victim

Es war abzusehen, dass nach den verheerenden Anschlägen in Oslo die öffentliche Diskussion, inwiefern die national-konservativen Motive das Attentäters in einem Zusammenhang mit der politischen Rhetorik rechts-populistischer Kreise steht, eine gehässige werden würde. Dies nicht zuletzt, da einige Personen dem Gedankengut des Täters offenbar derart nahe stehen, dass sie sich in ihren persönlichen Überzeugungen angegriffen fühlen. In der Natur der Sache liegt es, dass dabei der Angriff selber als Ungehörig empfunden wird, die Überzeugungen selber aber weder reflektiert noch kritisch hinterfragt werden.

Eine wüste Kommentarschlacht hat ein Interview mit Toni Brunner ausgelöst,welches hier veröffentlicht wurde.

Nun, es wäre sicher nicht angebracht, der SVP und deren Exponenten zu unterstellen, sie würden derartige Aktionen unterstützen oder gutheissen. Aber was Brunner immerhin implizit macht - er ist sich wohl dessen nicht einmal bewusst - er bestreitet einen Zusammenhang mit politischen Aktivitäten und gibt den Opfern indirekt eine Schuld an dem Massaker. Abgesehen von der Tatsache, dass die SVP mit ihren fremdenfeindlichen Massenkampagnen vor allem Mobilisierungstrategien verfolgt, versucht sie einen Referenzrahmen zu schaffen, der geprägt ist von 3 Aspekten: Exklusion, Ohmacht gegenüber den Institutionen des Staates und Verachtung für Andersdenkende.

In den Kommentarspalten der Onlinemedien äussert sich diese Haltung dann unter anderem so:

Newsnetz, alle Kommentare zu diesem Artikel, vom 26. Juli 2011:


Hofstetter Peter
14:46 Uhr
Wer nicht endlich einsieht, dass der Islam in Europa ein nicht so gerne gesehener Gast ist, der begreift nichts. Es ist nun mal bisschen ein Fremdkörper, welcher bisschen unangenehm ist. Aus Eigeninteresse sollten sich die Leute muslimischen Glaubens besser in ihren Heimatländern halten. Ein überzeugter Christ fliegt auch nicht nach Indonesien, um dort seine christlichen Tätigkeiten zu leben.


Martin Bucher
14:27 Uhr
Wir haben ein Islamistenproblem ? Also empören wir uns kollektiv und gehen dann zum Tagesgeschäft über. Die Lösung für das Islamistenproblem ist ganz einfach. Ausschaffen und Einreiseverbot für ganz Europa. Aber halt, das verstösst ja sicher gegen ein Menschenrecht. Es gibt Lösungen nur werfen die weder Wählerstimmen noch Sozialhilfebudgets ab, also werden sie von links verhindert. *staun*


Bruno Petzig
13:53 Uhr
Verantwortlich für solche Taten sind eher linke Regierungen wie in Norwegen die massenhaft Asylanten aufgenommen haben und die Wut der Einheimischen geschürt hat.



Michael Meienhofer
16:18 Uhr
Man könnte auch sagen, die Saat geht auf. Falls die Multikulti-Politiker nicht langsam moderaterer Töne von sich geben, könnten sich durchaus anderswo solche Kriminelle zu Wort und Taten melden. Nicht nur in der Schweiz sollte man sich Fragen, wieviele Ausländer dürfen es sein, auch in Islamischen Ländern würden gegen zuviele Ausländer anderen Glaubens schnell einmal die Schwerter sprechen.


Auch Blickonline kann mithalten, dort wurde das Interview mit Brunner ebenfalls veröffentlicht:


» wenn die alten Bärte von 68er Journalisten uns noch lange mit dem Multikulturismus und politisch Korrektem frustrieren und unsere Politiker uns dem Islam ausliefern, muss man sich nicht wundern, wenn solche Pannen passieren. Woher nimmt sich eine linke Partei, die Norwegen seit Urzeiten beherrscht, überhaupt das Recht, die Jugend auf eine Insel zu versammeln, um sie dort in Seminaren und Spielen für ihre wahlpolitischen Zwecke auszunützen. Diese sind ebenso verantwortlich.

Die Leserkommentare werden auf beiden Portalen gefiltert. jeder Post wird von einem Journalisten einzeln zur Veröffentlichung freigeschaltet. Ich möchte lieber nicht wissen, was in den Posts steht, welche nicht veröffentlicht wurden.

Zusammenfassen liesse sich diese Argumentation etwas so: Die linken alt-68er, welche mit Hilfe ihrer ebensolinken Journalistenkollegen politisch dafür gesorgt haben, dass dermassen viele Muslime nach Europa eingewandert sind, kommen jetzt halt die logischen Folgen ihrer verfehlten Politik zu spüren. Hätte die "classe politique", die in Bern oben oder in Oslo, die berechtigte Wut des einfachen Mannes nicht einfach bewusst und vorsätzlich ignoriert, wäre eine solche Tat nie passiert .

Mit solchen Argumenten wird und wurde die Vernichtung der europäischen Juden im Dritten Reich oft begründet. Die Opfer seien letzlich selber schuld an ihrem Schicksal, sie hätten halt woanders oder anders leben müssen. Ihr Verhalten anlässlich ihrer eigenen Vernichtung wurde als Bestätigung der herrschenden Vorurteile interpretiert.

Brunner selber argumentiert zwar nicht direkt so. Aber er betont, dass so etwas wie dieser Anschlag in der Schweiz, wo jeder regelmässig seine politische Meinung kund tun dürfe, eben nicht "nötig" sei. Was er dabei vergisst: Seine Partei betont permanent, dass der "Volkswille" missachtet und die Ansichten der Mehrheit nicht umgesetzt würden, oder dass "Linke", weltfremde, demokratiefeindliche Richter und Institutionen alles unternehmen würden, die berechtigten Anliegen "des Volkes" zu sabotieren. Wann hat die SVP zu Respekt gegenüber politisch andersdenkenden aufgerufen, ohne dass damit die eigene Partei gemeint gewesen wäre? Zu Respekt gegenüber rechtsstaatlichen Institutionen? Wann akzeptiert, dass eben 30% der Wählenden nicht 30% der Bevölkerung und schon gar keine 51% sind? Die Haltung der SVP ist nicht die Ursache solcher Taten. Die SVP ist dafür auch keineswegs verantwortlich zu machen. Aber Anlass zu Selbstreflexion, eventuell sogar Selbstkritik wäre durchaus gegeben, stellte man sich die Frage: Was haben wir unternommen, um derart menschenfeindliche Einstellungen -  und schlussendlich Taten - zu verhindern?