Samstag, 21. März 2009

Ein Arbeitstag bei NEWSNETZ

08:30: Beim Morgenkaffee diksutiert Hubert M. mit seinen Kollegen die Presse des letzten Tages:

"Hast Du die Weltwoche gelesen? Die haben was geschrieben von wegen Polizei und geheim oder so. Da könnte man doch was drüber machen, das ist sicher aktuell. Weiss da jemand was?"

09:00: Nach einer aufreibenden Recherche stellt Hubert M. erleichtert fest, dass a) FEDPOL tatsächlich die Bezeichnung für das Bundesamt für Polizei ist, b) eine Medienmitteilung zum Thema veröffentlicht wurde und c) das das ganz sicher eine Reisensauerei am laufen ist. Neben der Kaffeemaschine trifft er den Volontär, der seit Montag auf der Redaktion arbeitet:

"Du, ruf doch da mal an, wir müssen mehr wissen, Weisst Du, so Grundlagen, wer hat's erfunden und so. Am besten, die liefern massig viel Text, sonst müssen wir uns am Ende noch selber was aus den Fingern saugen"

10:00: In der Kaffeepause bespricht Hubert M. den Stand der Recherche mit dem Volontär.

"Staatskalender? Ich weiss doch, wann der 1. August stattfindet. Niemand hat abgenommen? Was ist das den für ein Sauladen, wir brauchen doch heute noch einen Artikel, was denken die sich denn. Such mir doch in dem Staatsdings mal den Chef von denen raus, und mach mal Druck bei der PR-Susi, gell?"

11:00: Hubert M. trifft in der Rauchpause einen Kollegen:

"Der Laden von der Schlumpf, die haben ja wohl gar nichts im Griff. Hast Du die Medienmitteilung mal gelesen? Also ehrlich, die sollten doch wissen, dass keiner mehr als 10 Zeilen liest. Und dann noch diese Abkürzungen, BStP, BA, IRSG? Da vergeht einem das Lesen doch sofort. Mitagessen wieder beim Italiener? Dieses Mal bist Du dran mit dem Wein."

13:45: Hubert M ist zurück im Büro.

"Wo ist denn dieser - wie heisst doch der Volontär schon wieder? Ausbildung? "Konsistentes Schreiben als Journalist"? Das ist doch für gar nichts. Das haben wir ja schliesslich auch ohne teurer Kurse gelernt, oder?"

14:30: Huber M. versucht, die mails in seiner Inbox zu sortieren. Sein Telefon klingelt.

"Markus? Ja, wie gehts. Du hör mal, diese Polizeikiste da in Bern, die rauben mir noch den letzten Nerv. Aber der Italiener, der hat einen neuen Grappa reingekriegt, traumhaft sage ich Dir. Wie jeden Freitag um 18 Uhr? Ich bin dran mit Bierzahlen, OK? du, wart, schreibt man Telefon jetz mit "f" oder mit "ph"? Du weisst es auch nicht? Ach, egal."


14:35: Hubert M. stell der Pressesprecherin ein Utlimatum.

"Bis 17:50 muss ich diese Antworten haben, dann reichts noch um den Bericht zu posten, und ich komm nicht zu spät zum Feierabendbier. Diese Zwahlen, jetzt grüsst nicht mal mehr anständig"

15:00: Kaffeepause mit Kollegen.

"Ich weiss nicht, ob es da noch was wird mit dem Hintergrundbericht, die sperren. Die haben was zu verbergen, glaub's mir. Aber so müssen die mir nicht kommen, ich hab schon einen Plan B, der Text steht schon, muss nur noch die Abschnitte sortieren, die werden sich noch wundern."

Ungefähr so stell ich mir, als journalistischer Laie, die Entstehung von Artikeln in Onlineredaktionen schweizerischer Medienhäuser vor. Anders ist sowas nicht zu erklären. ein Satz ohne verb, das kann ja mal passieren, das mit dem Telefon (oder so) auch. Und wenn man sich dann schon mal so schön in Rage gebracht sieht, kann ja auch mal die Chronologie ein bisschen durcheinandergeraten.

Aber erschreckend ist eigentlich die Erwartungshaltung. Die Behörde hat für jedes Medienhaus einen Pressesprecher anzustellen. Der sitzt dann in Bern im Büro und arbeitet den ganzen Tag an fundierten Berichten und kritischen Artikeln über den eigenen Arbeitgeber, um diese bei Bedarf den Journalisten möglichst Pfannenfertig zu liefern. Das wäre sicher sehr effizient.

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