Samstag, 23. Mai 2009

Ehre, wem Ehre gebührt

Man fühlt sich geehrt, wenn man als seriöse Quelle genannt wird. Kollege Weee tut dies ab und zu. Er zitiert in seinem Post eine Geschichte, die ich ihm wohl mal erzählt habe - eine realistische Annahme, denn ich pflege ab und zu mal jemandem etwas zu erzählen. Die Geschichte, auf die er sich erzählt, beruht auf einem Interview, das ich vor längerer Zeit einmal in einem TV-Bericht gesehen habe. Ein Journalist begleitete einen Bettler am Bahnhof St. Gallen. In dem Bericht gab der Bettler zu Protokoll, er würde im Durchschnitt so um die 300 Franken pro Tag einnehmen. Genau diese Aussage wurde dem Mann aber zum Verhängnis, seine einnahmen sanken dramatisch, er wurde nicht nur von seinen "Kunden" beschimpft, seine Kollegen warfen ihm vor, er würde damit ihre Geschäftsgrundlage zerstören.

Leider habe ich den TV Beitrag nirgends mehr finden können. Allerdings habe ich einen anderen Beitrag zum Thema gefunden, die Grössenordnung ist also durchaus plausibel.

Nun, Betteln ist jetzt wirklich kein neues Phänomen. Seit Jahrtausenden ist das Betteln in den meisten Kulturkreisen eine mehr oder weniger anerkannte Tätigkeit. Religionen sämtlicher Couleur regeln den Umgang mit Personen, die nicht in der Lage sind, selber für ihren Unterhalt zu sorgen, äusserst prominent. Das Spenden von Almosen stellt eine der 5 Säulen des Islam dar. Die Geschichten des neuen Testaments erzählen immer wieder vom Einsatz von Jesus für benachteiligte Mitmenschen, der bekannte Spruch mit dem Kamel und dem Nadelöhr ist nur ein Beispiel dafür.

Der moderne Wohlfahrtsstaat versucht, das Problem der Armut von der individuellen Ebene zu verschieben und dieses als Problem der Gemeinschaft zu interpretieren und auch kollektiv zu lösen. Die Gründe dafür sind vorwiegend in den Erfahrungen der 30er Jahre des vorletzten Jahrhunderts zu suchen. Vorrangiges Ziel bei der Einführung sozialer Sicherungssysteme war, die Auswirkungen wirtschaftlicher Krisen auf die Bevölkerung zu dämpfen und somit einen Zusammenbruch des Konsums zu verhindern. Zudem ermöglichen staatliche Sozialversicherungen dem Staat, sich die Zustimmung seiner Bürger zum politischen System sozusagen zu kaufen. Situationen wie während der Endphase der Weimarer Republik, als der demokratische Staat sich einer Merheit anti-demokratischer Parteien im Parlament und zudem Regierungen, die parlamentarsich nicht legitimiert waren (Präsidialkabinette) gegenübersah. Dies führte zu den bekannten katastrophalen Entwicklungen.

Was hat das ganze mit Bettlern zu tun?

"Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind."

Dies sagt Artikel 12 der Bundesverfassung. Theoretisch wäre es also tatsächlich so, dass niemand betteln müsste, um zu überleben. Die Streiterei fängt natürlich dann an, wenn es darum geht, was denn mit dem menschenwürdigen Dasein genau gemeint ist. Das Bier für den Alki, der nächste Schuss für den Drögeler, die Zigaretten für den Punk sind damit kaum abgedeckt. Doch eigentlich geht es bei allen Diskussionen um Bettelverbote, Rayonverbote für "Randständige" und ähnlichem vor allem um das Besetzen von öffentlichem Raum. Wer sich nicht den Vorstellungen der bürgerlichen Gesellschafte gemäss Verhält, soll dies tun können, aber bitte irgendwo, wo es keiner sieht. Die Polemik um das Bahnhofsreglement in Bern zeigten dies exemplarisch auf. Das Problem an Bettlern, Punks, Alkis etc. lässt sich auf eine wohl jedermann aus der eigenen Jugend bekannten ausspruch, vorwiegend von Müttern in Feld gebracht, reduzieren: "Mir ist es egal, wie du rumläufst, aber was denken dann die anderen von uns?" Im Gegensatz zu den Müttern scheint die Obrigkeit sich allerdings immer mehr durchsetzen zu können.

3 Kommentare:

  1. btw.

    in der regel lässt sich aus einem artikel der bundesverfassung kein direkter anspruch auf irgendwelche leistungen ableiten. es ist in einem solchen fall nötig, dass entsprechende ausführungsgesetze als grundlage für eine leistung erlassen werden müssen.

    marc

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  2. http://www.polyreg.ch/d/informationen/bgeunpubliziert/Jahr_2004/Entscheide_2P_2004/2P.318__2004.html ??

    oder, zum Thema passend:

    http://www.servat.unibe.ch/law/dfr/c1121367.html#367 , Erwägung 2, Abschnitt 14. Da hat's mit dem Anspruch sogar geklappt, ohne Verfassungsartikel.

    Obwohl ich kein Fachmann der Juristerei bin, denke ich, dass (im Einzelfall) sehr wohl Ansprüche direkt aus der Verfassung abgeleitet werden können.

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  3. Der erste Link geht nicht, http://www.so.ch/fileadmin/internet/ddi/igsaa/pdf/soziale_sicherheit/soziale_dienste/asyl_flucht/bge_soa_2005_03_18_nothilfe.pdf ist besser.

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