Donnerstag, 23. Juli 2009

Stammtisch

Parlamente, Gemeindeversammlungen, Abstimmungen, Vernehmlassungen, unser Staatswesen sieht zahlreiche mehr oder weniger komplizierte Verfahren vor um politische Entscheide zu fällen. Eine altbewährte politische Institution gerät dabei zusehends ins Abseits: Der Stammtisch. Die entsprechenden Ikonen werden wohl aus stylistischen Gründen oder aufgrund der zunehmend restriktiven Nichtrauchergesetzen bald nur noch in Museen anzutreffen sein wird, ein Stammtisch ist jedoch keineswegs an solch profane Symbolik gebunden.

Fragen der Gewaltentrennung, die Anwendung von Notrecht, die Verfassungsmässigkeit staatlicher Handlungen. Andere Länder unterhalten hochdotierte Verfassungsgerichtshöfe um solch schwerwiegende Fragen zu entscheiden. Weshalb sowas nicht in normalen Kleidern möglich sein soll, bleibe dahingestellt, vielleicht soll auf diese Weise die absolute Unabhängigkeit (aka Narrenfreiheit) zum Ausdruck gebracht werden. Die Schweiz hat sich in ihrer modernen Form gegen eine Verfassungsgerichtsbarkeit gestellt. Während viele Juristen dazu tendieren dies zu bedauern (aber wohl insgeheim froh sind, sich die Gewänder nicht antun zu müssen), betonen zahlreiche Politiker, dies würde dem Konzept der Volkssouveränität widersprechen. Da das Volk als höchste Instanz über alle politischen Fragen entscheiden könne, sei es nicht opportun, diese Entscheidungsmacht durch ein Gericht zu beschränken. Diese Haltung führt immer wieder zu Problemen, Volksentscheide pflegen sich immer wieder zu widersprechen. Vor allem aber besteht keine Instanz, welche in Fällen, in denen der Bundesrat ausserhalb der üblichen Prozesse mehr oder weniger weit reichende Entscheide fällt. überprüft, ob dies zu Recht geschieht und ob die Voraussetzungen dafür wirklich gegeben sind. Einige Beispiele:

Der Bund finanziert eine Kapitalerhöhung der UBS im Umfang von 6 Milliarden Franken. Gestütz auf den Dringlichkeitsartikel des Finanzhaushaltsgesetzes, welcher in Fällen, in denen die Zeit dazu nicht ausreicht, den Bundesrat ermächtigt, Geld auszugeben, ohne das Parlament vorher dazu zu befragen. Hat die Zeit wirklich nicht ausgereicht, um sich zumindest mit der Finanzdelegation der Räte abzusprechen?

Ohne gesetzliche Grundlage, direkt auf die Verfassung abgestützt, hat der Bundesrat eine Verordnung erlassen, die es Bundesbehörden erlaubt, private Firmen mittels privatrechtlicher Verträge polizeiliche Kompetenzen und Aufgaben zu übertragen. Diese Kompetenzen schliessen die Anwendung von Gewalt und den Einsatz von Waffen ein. Während die Verordnung über Höchstbestände in der Fleisch- und Eierproduktion selbstverständlich über gesetzliche Grundlagen verfügt, hat man dies im Fall der Übertragung des staatlichen Gewaltmonopols an private Akteure nicht für notwendig gehalten.

Die Anordung der Vernichtung von Unterlagen im Zusammenhang mit der Atomschmuggel-Affäre begründet der Bundesrat ebenfalls mit notrechtlichen Kompetenzen. Abgesehen davon, dass die angeblich so gefährlichen Unterlagen mindestens 2 Jahre im Besitz des Bundes waren, ohne das ein nuklearer Weltkrieg ausgebrochen wäre; abgesehen davon, dass nach der vermeintlichen Vernichtung der Dokumente Teile der Unterlagen sowohl im Rahmen eines Gerichtsverfahrens in Deutschland wie auch in einer Kiste im Archiv eines Bundesbehörde wieder aufgetaucht sind, stellt sich die Frage. ob die Sicherheit der Schweiz wirklich durch die blosse Existenz dieser Papiere gefährdet ist.

Eine Überprüfung, ob die Voraussetzungen für dieses Vorgehen jeweils gegeben war, ist nicht vorgesehen. Dabei gäbe es dafür durchaus eine geeignete Institution: Den Stammtsich. Prost.

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