Freitag, 18. September 2009

Die Qual der Wahl

Des Lokaljournalisten liebste Zeit ist der Wahlkampf in zahlreichen Gemeinden. Einerseits gibt es haufenweise Intrigen und Grabenkämpfe, das ist das Käseblatt schnell gefüllt. Andererseits füllen die Leser die Spalten gleich selber. Üblicherweise teilen bekannte oder wengier bekannte - jedoch sehr engagierte - Bürger dem geneigten Leser mit, wen sie wählen werden ("Ich kenne X. seit Jahren, er mäht jeden Samstag Nachmittag den Rasen, hängt seine Wäsche niemals am Sonntag zu trocknen auf, war 10 Jahre lang Präsident des Männerchors, ich wähle deshalb X. ins Gremium Y."). Ob sich auf diese Weise wirklich Stimmen für den bevorzugten Kandidaten gewinnen lassen, ich wage dies zu bezweifeln.

Während viele Gemeinden mittlerweile Mühe damit haben, freiwillige für die zu besetzenden Ämter zu finden, tobt andernorts der Wahlkampf auf sämtlichen Kanälen. Das mit der Wählerei ist allerdings nicht immer so einfach, wie man sich das gemeinhin vorstellt. Seit einiger Zeit werden zum Beispiel in meinem geliebten Wohnkanton Gemeinderäte und Gemeindeammäner gleichzeitig gewählt. Während früher zuerst der Gemeinderat erkoren wurde und in einem zweiten Wahlgang dann aus den gewählten Mitglieder der Amman und der Vizeamman erkoren wurden, geschieht dies nun gleichzeitig. Und das hat so seine Tücken:

"Mit der offenen Bekennung, dass Eugen Frunz nur zur Wahl als Gemeindeamman zur Verfügung steht, es aber bis heute nicht anders möglich ist, ebenfalls separat als Geimeinderat gewählt zu werden, ist es jedem Stimmberechtigten freigestellt, seine Wahl entsprechend vorzunehmen. "

Quelle: Regionalteil Baden-Wettingen der AZ vom 16. September 09, Rubrik: Briefe an die AZ, Wahlen: Was für einzelne Kandidierende spricht.


Alles klar? Die Sache ist eigentlich nicht wirklich kompliziert, allerdings eher verwirrend. In den Gemeinderat ist jeder Stimberechtigte Einwohner einer Gemeinde wählbar. Stimmen für das Amt des Gemeindeammans sind jedoch nur gültig, wenn der Wähler dieselbe Person auch in den Gemeinderat wählt. Das steht zwar gross und deutlich auf den Wahlzetteln drauf, die Wirkung scheint aber Bescheiden. Es gab mindestens einen Fall, in dem ein Kandidat, der Amman werden wollte zwar genügend Stimmen für dieses Amt gewonnen hat, aber die Wahl in den Gemeinderat halt verpasst hat. Sozusagen eine intellektuelle Selektion nach Wählerschaft.

Der erwähnte Herr Frunz hat aber noch ein zusätzliches Problem: Gemeindeamman will er werden, sollte er aber in den Rat, aber nicht zugleich als Amman gewählt werden, wird er vor seinem Amtsantritt zurücktreten. Soviel zum Thema "Respekt vor dem Volkswillen", welches von Herrn Frunz' Partei - wenn es denn gerade in den Kram passt - gerne und Lautstark in den Diskurs gebrüllt wird.

Dieselbe Ortssektion derselben Partei scheint allerdings nicht nur komplizierte Wahlkämpfe zu führen, auch bezüglich der Betreuung von Schulkindern in Tagesstrukturen der betreffenden Gemeinde scheinen merkwürdige Vorstellungen vertreten zu sein:

(...)Die Erfahrung zeigt, wenn die Eltern für die Benutzung ihrer Kinder zahlen müssen, sie diese eher nicht teilnehmen lassen (...)

Quelle: Regionalteil Baden-Wettingen der AZ vom 2.9.09, Rubrik: Einwohnerrat Obersiggenthal, SVP zur Einwohnerratssitzung


Einmal wirklich alles im Lokalteil einer Zeitung zu lesen, ist durchaus lohnenswert.

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