Sonntag, 9. August 2009

Schweizermacher am Werk

Wer das Schweizer Bürgerrecht erwerben will, muss zahlreiche Hürden überwinden. Absurderweise hängt die Anzahl und die Höhe dieser Hürden vorwiegend davon ab, in welcher Gemeinde jemand lebt. In letzter Zeit wurden die Anforderungen an diese Verfahren immer wieder hoch angesetzt, insbesondere verlangt die Bundesverfassung von den Behörden - in diesem Fall der Gemeinde - eine rechtlich anfechtbare Begründung im Falle eines negativen Bescheids. Daher erstaunt es nicht, dass die zuständigen Kommissionen versuchen, ihre Verfahren zu standardisieren.

Vor 30 Jahren entstand der immer noch erfolgreichste Schweizer Film aller Zeiten, "Die Schweizermacher". Die Frage indes, wie "schweizerisch" jemand denn sein muss, um in den Genuss politischer Partizipation zu gelangen, ist offensichtlich weiterhin umstritten.

Im Grunde verficht eine (politische) Mehrheit in der Schweiz das Kooptationsprinzip. Dieses besagt, dass die Mitglieder einer Gemeinschaft entscheiden, wer in ebendiese aufgenommen wird. Daher erstaunt es nicht weiter, dass die Richtlinien und Anforderungen an Einbürgerungswillige kaum geeignet sind, Aussagen über die beurteilten Personen zu machen, aber wunderbare Einblicke in die Lebens- und Vorstellungswelt der Beurteiler erlauben.

Ein Beispiel. Spreitenbach, die klassische Agglogemeinde im Aargau, benutzt zur Beurteilung der Kenntnisse der Kandidaten über Land und Leute einen Fragebogen. Aus den Bereichen "Geschichte", "Aufbau und Organisation der Schweiz" und "Integration" hat der Prüfling jeweils 10-12 Fragen zu beantworten, es werden Punkte verteilt, wer in einem Bereich ungenügend abschneidet, muss ihn wiederholen. Einige Beispiele gefälligst?

Geschichte:

- Wann wurde die Eidgenossenschaft gegründet?
- Welches waren die drei Gründungskantone?
- Erzählen sie etwas über die Schlacht bei Marignano von 1515. Was waren die Folgen?
- Wann marschierten die Franzosen ein und was waren die Folgen?
- Es sind drei Bundesverfassungen verfasst worden (schöne Formulierung, Anm. d. Verfassers), wann war das?
- Wann trat die Schweiz der/den Weltorganisation/en bei?

Aufbau und Organisation:

- Wie viele Ständeräte gibt es? Wie werden sie gewählt? Warum? (!)
- Welche Gewalten gibt es in der Gemeinde?
- Was sind die persönlichen Freiheitsrechte?

Integration:

- Wie ist der typische Schweizer?
- Was isst / hat der typische Schweizer?
- Was sind typische schweizer Sportarten?


Einige dieser Fragen sind nicht eben elegant formuliert. Die verantwortliche Behörde scheint jedenfalls nicht mit herausragender Sprachkompetenz ausgestattet zu sein, nimmt man die Erläuterungen (ab Seite 2) zu den sprachlichen Anforderungen als Massstab. Doch ihr Grundproblem liegt in einer Aufgabe, die eigentlich gar nicht zu bewältigen ist. Was ist schweizerisch? Wie ist ein Schweizer, die Schweiz? Und falls jemand glaubt, allgemeine Antworten auf diese Fragen geben zu können: Wer legt fest, ob diese wirklich richtig sind?

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