Dienstag, 19. Oktober 2010

Die Vokssouveränität - von den Schwierigkeiten eines Begriffs

In verschiedenen Zusammenhängen wird im öffentlichen politischen Diskurs Bezug genommen auf die "Volkssouveränität". Hinterfragt wird der Ausdruck allerdings nicht sehr oft.

Zunächst könnte man sich über die Bestandteile des Ausdrucks "Volkssouveränität" einige Gedanken machen. "Souveränität", was meint das eigentlich? Das Konzept der "Souveränität" geht im Kern zurück auf absolutistische Staatsphilosophen, oft genannt wird der Franzose Jean Bodin. Souveränität versteht er grundsätzlich als Existenz einer "höchsten Letztentscheidungsbefugnis" im Staat. Der Souverän ist demzufolge der Träger dieser Befugnis, die Verfassungsgebende Instanz. Selbstverständlich ist dabei die Entscheidung über Krieg oder Frieden mit inbegriffen. Da diese für ein Staatswesen (auch ein Begriff, der einmal einige Gedanken Wert wäre) oftmals eine Existenzfrage darstellt, wurde der Begriff auch im "Völkerrecht" immer wichtiger. Dort hat der Begriff eine zusätzliche Bedeutung angenommen: Souverän ist ein Staat, wenn er von anderen Staaten unabhängig ist, eigene Entscheidungen fällen und diese sowohl gegen innen wie auch gegen aussen durchsetzen kann. Und damit wird's eben auch kompliziert. Ist die Schweiz "souverän"? Im rechtlichen Sinne durchaus. Kein anderer Staat spricht der Schweiz das Recht, für sich selber zu entscheiden, grundsätzlich ab. Eine Situation, die in zahlreichen anderen Ländern nicht ganz so klar ist, man denke zum Beispiel an Afghanistan, den Irak, Kosovo, Bosnien.... Die Kehrseite davon ist jedoch, dass diese Entscheidungen direkte Auswirkungen auf das Verhältnis zu anderen Staaten haben. Die Schweiz kann Staatsverträge mit Deutschland zum Beispiel - ganz souverän - annehmen oder ablehne, kündigen oder verlängern. Je nachdem kann Deutschland dann nämlich - ebenfalls ganz souverän - Überflüge über sein Gebiet einschränken, was sowohl für Airlines, Fluglinien, die Bevölkerung rund um den Flughafen Auswirkungen hat. Und wenn man Deutschland das verbieten will, muss man halt eben den Krieg erklären (vgl. dazu: Wofür wir die beste Armee der Welt wirklich brauchen: hier).


Zudem bestehen einige Grundsätze, zu denen sich praktisch alle Staaten dieser Welt bekannt haben, man spricht von "zwingendem Völkerrecht". Darunter sind Rechtsgrundsätze zu verstehen, die universelle Gültigkeit haben. Sie können nicht wegbedungen werden und gelten auch, wenn sie nicht kodifiziert wurden. In der Schweiz hat dies eine lange Rechtstradition, waren doch elementare Grundrechte in der Verfassung vor der letzten Totalrevision nicht oder nur teilweise enthalten. Das Folterverbot zum Beispiel würde auch gelten, wenn man den entsprechenden Artikel aus der Verfassung streichen würde. Es würde auch gelten, wenn man in die Verfassung schreiben würde, dass Folter erlaubt sei oder obligatorisch bei der Untersuchung bestimmter Delikte (Sexualdelikte, am besten begangen an Kindern, IV-Betrug oder ähnlichem). Selbst ein Austritt aus der EMRK hätte auf die Gültigkeit des Folterverbots keine Auswirkungen. Die Souveränität eines jeden Staates gilt also nicht absolut, zumindest nicht im rechtlichen Sinne. Die politischen Folgen solcher Entscheide wären wohl zu vergleichen mit der Situation von Nordkorea, kein erstrebenswertes Ziel, auch wenn das Land und die Leute durchaus ihre Reize zu haben scheinen, denn "dieses Land will unabhängig sein" (GröBaZ, Interview in der BAZ)

Was ist denn nun mit dem "Volk"? Im Gegensatz zu Jean Bodin, der als Träger der Souveränität eine einzige Person, nämlich den König, der selber ausserhalb jeden Rechts steht (Der Leviathan lässt grüssen, obwohl der von einem Engländer ins Spiel gebracht wurde). Einen solchen hatten und haben wir in der Schweiz nicht, und ausser einigen Anhängern des "besten Bundesrates aller Zeiten" wünscht sich den auch niemand. Die Souveränität wird in der Schweiz durch das "Volk" ausgeübt. Doch wer ist das "Volk"? Die Bevölkerung kann damit nicht gemeint sein, denn Kinder, Touristen und Ausländer gehören nicht dazu, egal ob sie hier wohnen oder nicht. Frauen gehören erst seit einige Jahrzehnten zum Volk, in Innerrhoden erst seit 1990. Gemeint sind die schweizerischen Staatsbürger. Doch gehören diejenigen, die nicht wählen oder abstimmen gehen, auch dazu, zum Volk? Die Kriterien zur Erlangung der Staatsbürgerschaft und somit zur "Volkszugehörigkeit" sind zudem heftig umstritten, was die "Volksseele" regelmässig zum Kochen bringt. (Hier kocht die Volksseele, ab 05:58, gekocht gibt es sie ab 42:50. Quelle: SF DRS)

Doch trotz all der Schwierigkeiten scheinen zwei Ansichten weit verbreitet zu sein:

- Die "Volkssouveränität" gelte absolut. Das Volk sei absolut frei in seinen Entscheidungen, jede Einschränkung sei ein Verrat an eben der "Volkssouveränität" und ein Beispiel an linker Subversion. Auch wenn entsprechende Vorschläge sich auf genau diese Volksrechte beziehen und von stramm bürgerlich-konservativer Seite geäussert werden.

- Daraus folgt meist die Erkenntnis, dass Demokratie in dem Sinne absolut gilt, dass sie ausserhalb des Rechts und des Rechtsstaates steht, wie der König in Frankreich, der Papst in der katholischen Kirche oder Sepp Blatter in der Fifa. Wer in der humanistischen Tradition der Aufklärung genau die Werte zu schützen versucht, welche oft absurderweise als Produkt unserer "christlich-abendländischer" Kultur bezeichnet werden und die es gegen islamische, balkanesische, afrikanische oder sonstige Einflüsse aus "fremden Kulturkeisen" zu schützen gelte, zur Not auch mittels massiver Grundrechtseinschränkungen, rechtlicher Willkür oder unter Verletzung eben dieser Werte, wird massiv angefeindet.

Einige Beispiele:

giovanni meijer, rive Gauche - 20:36 | 09.10.2010
» Nur weiter so Giusep. Sie werden, mit Ihrem Unsinn, das Volk daran erinern, abstimmen zu gehen. Und was wird das Volk abstimmen, waseli was (frei nach Ruedi Walter)? Nein, nicht solche Abstimmungen sind eine Gefahr für die Schweiz; Sie sind die Gefahr sowie die intellektuelle Elite dieses Landes.

Hanspeter Rüegg, Zürich - 20:26 | 09.10.2010
» Herr Nay ist eine Schande für unser Land. Und so ein Mann, der demokratische Volksentscheide missachtet, war einmal Bundesrichter. Da wundere ich mich überhaupt nicht mehr über die gegen das Volk gerichteten Entscheide dieser Instanz. Ich habe jeglichen Respekt vor der Rechtssprechung in der Schweiz verloren.

Ruedi Wermuth, Reinach - 18:50 | 09.10.2010
» Dieser Herr Nay ist genau einer der linken die immer wieder in allem Recht haben wollen und genau diese Vögel machen die Demokratie in der Schweiz zur Sau. Sie Herr Nay gehören mit ihrer dappischen Ansicht nicht in die Schweiz, packen sie ihre Koffer und dann Tschüss.

Ruedi Greub, Rohrbach - 17:45 | 09.10.2010
» Das Volk stimmt ab. Das Resultat sollten alle Akzeptieren Und ein Volksentscheid muss auch nicht begründet werden. Sollte ein Volksentscheid mit einem internationalen Vertrag nicht vereinbar sein, so muss der internationale Vertrag gekündigt werden. Das wäre Demokratie und nichts anderes. Leider denkt da unsere politische â01CEliteâ01C aus dem hohen Elfenbeinturm anders.

Pesche Lang, Bern - 17:01 | 09.10.2010
» Richter sollen mitbestimmen, welche Initiativen europa-gerecht sind und welche nicht!? Dann gnade uns Gott, dann ist unsere direkte Demokratie am Ende. Übrigens: Es gibt gar keine völkerrechtswidrigen Initiativen. Und in unserem Land ist immer noch das Volk der Souverän, Herr Nay!

Hans Berner, Bern - 14:07 | 09.10.2010
» Diesen Richter und seine politische Gesinnung kennen wir aus seinen X Auftritten bestens. Es ist eine Schande, wie sich die selbst ernannten Halbgötter zu Lausanne aufspielen und den politischen Willen eines souveränen Staates untergraben. Wir sind das Volk, ihr seid unsere Diener, auch wenn ihr als Richter gewählt wurdet. Ende!

(Sämtliche Zitate stammen von Blick Online. Schreiben lassen, was ist, am liebsten gratis von den Lesern.)

Mit den Errungenschaften der "christlich-abendländichen" Kultur scheint es eben doch nicht so weit zu sein.

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