Freitag, 9. Oktober 2009

Studenten und Wikipedia

Dozenten sämtlicher Studienrichtungen versuchen in ihren Veranstaltungen, Studienanfängern zu erklären, dass Wikipedia weder der Weisheit letzter Schluss noch eine im wissenschaftlichen Sinn zuverlässige Quelle darstellt. Ein Phänomen, dass Herrn Manfred Trapp, seines Zeichens Dozent für Politikwissenschaft in Nürnberg zur Weissglut getrieben zu haben scheint. Mit dem Eintrag zur Gewaltentrennung hat er so seine liebe Mühe:

"Liebe wiki-Leute,

Ich mische mich wirklich ungern in Eure Arbeit ein, nutze Wikipedia ja auch selber. Es passiert mir aber, dass meine Studentinnen und Studenten (an der Ohm-Hochschule Nürnberg, ich unterrichte dort Politikwissenschaft) Wikipedia abschreiben wie die Raben. Wenn Sie dabei nicht korrekt zitieren, was vorkommt, kriegen sie sowieso eine "5" wegen Plagiats. (Ich bin kein Studentenfresser, aber manches geht nicht.) Nun passiert es aber auch, dass sie sich korrekt auf Wikipedia berufen und gleichwohl eine "5" kassieren, weil der Inhalt Quatsch ist. Das ist passiert bei Eurem Artikel über Gewaltenteilung. Deswegen einige Bemerkungen:

Ob Gewaltenteilung die Staatsmacht begrenzt und "die Freiheit" (welche?) sichert, halte ich für zweifelhaft, jedenfalls seid ihr hier total unkritisch. Es hat wohl noch nie soviel Macht gegeben wie in einem gewaltenteiligen System, selbst Hitler sieht blass aus gegen den US-Präsidenten (auch wenn manche Historiker das Gegenteil behaupten [Ergänzung 17. 2. 09: Weil einer meiner Studenten in einer Mail an mich dies bezweifelt, möchte ich nur an das Atomwaffenarsenal erinnern, über das der Präsident verfügt]). Das liegt exakt an der Gewaltenteilung, weil 1. kein Gericht was anderes nachprüfen darf als die Gesetzmässigkeit und Gesetze sind schnell passend gemacht (kein Gericht kann Guantanamo schliessen, weil es einfach eine Sauerei ist, sondern nur, wenn es US-Gesetzen widerspricht, wobei die Bush-Regierung genug Winkelzüge hatte, die im amerikanischen Recht halt möglich waren); 2. weil die Bindung der Staatsmacht (Exekutive) an das Gesetz eine grosse Befreiung darstellt: Jeder kleine Beamte beruft sich drauf, dass er nur die Vorschriften ausführt, wenn er mitleidslos ist, und die Legislative beruft sich darauf, dass sie vom ganzen Volk beauftragt ist, weshalb sie keiner einzelnen Gruppe verpflichtet ist, also von allen frei. (Dass dann gewisse Gruppen Ihren Einfluss durchsetzen, kommt noch dazu, ist aber eine andere Baustelle.)

Über all dies kann man diskutieren, und an Wikipedia ist hier ärgerlich, dass viele kritische Diskussionen abgeschnitten sind. Manche Staatsrechtslehrer nennen eure Gewaltenteilungslehre eine "Irrlehre, die den Sinn der Gewaltenteilung nicht in der Bewirkung innigerer Einheit und grösserer Richtigkeit, sondern in einer durch Teilung und 'Hemmung' herbeigeführten Schwäche des Staats sieht." (Krüger, Herbert: Allgemeine Staatslehre. Stuttgart: Kohlhammer, 2. Aufl. 1966, S. 945 - ein altes Buch, sicher, und ein stockkonservativer Autor, ja, aber eine Irrlehre ist es trotzdem.)

Wie gesagt, das alles kann man diskutieren, das Folgende aber nicht:

Was unter "2. Arten der Gewaltenteilung" steht, hat grösstenteils mit Gewaltenteilung nichts zu tun (ausser 2.1 sog. horizontale Gewaltenteilung). Was Gewaltenteilung ist, nämlich Existenz verschiedener Staatsorgane [17. 2. 09: korrekt müsste ich "Staatsgewalten" sagen], deren Namen jeder weiss, findet ihr bekanntlich in GG Art. 20 III, dazu als Kommentar am besten Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 20, Rz. 461ff., an neuerer Literatur z.B. Degenhart, Christoph, Staatsrecht I, Heidelberg: Müller, 2005, Rn. 260-279 = S. 90-97 (ähnlich, was an alten Sachen bei mir herumsteht, z.B. Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. Heidelberg: Müller, 1982, § 13 (neuere Auflagen wahrscheinlich genauso, habe ich aber nicht gecheckt) oder, eher liberal: von Münch, Ingo: Grundbegriffe des Staatsrechts II, 2. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer, 1982, Kapitel 4.2 und 4.3.).(...)"

Quelle: Wikipedia Diskussionsseite "Gewaltenteilung"

Der Versuch, Artikel in Wikipedia so zu gestalten, dass Sie nicht zu desaströsen Resultaten führen, wenn sie für wissenschaftliche Arbeiten einfach unreflektiert übernommen werden, ist aber wenig zielführend. Anstatt mit Studierenden darüber zu streiten, weshalb eine Arbeit auch ungenügend sein kann, obwohl korrekt zitiert wurde, würde ich empfehlen, die kritische Diskussion von Texten zu thematisieren. Nur weil etwas irgendwo geschrieben steht - und das gilt beileibe nicht nur für Wikipedia - heisst noch lange nicht, dass es einfach unbedacht übernommen werden kann.

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Politische Werbung

Zurecht stellt W in seinem letzten Beitrag die Frage, ob es Sinn macht, dass Medienhäuser einerseits beschliessen, bestimmte Inserate aus politischen Kampagnen zu veröffentlichen oder nicht, wenn genau diese Debatte öffentlich zelebriert wird. Natürlich inklusive der Abbildung der umstrittenen Plakate in redaktionellen Teil - der zumindest gemäss der lautstark proklamierten journalistischen Ethik nicht käuflich sein soll - sämtlicher Kanäle dieser Medienhäuser. So zum Beispiel bei Tamedia. Ringier scheint diesbezüglich für einmal konsequent und ignoriert das Plakat - zumindest bislang. Damit gelingt der einfachste (und wohl kosteneffizienteste) Trick der politischen PR zum wiederholten Mal. Man erstelle ein Plakat, das strafrechtlich gerade noch so zulässig sein könnte - aber zu sicher darf das nicht sein - und buche einen Inserateplatz beim Tagi, beim Blick und bei der NZZ. Die öffentliche Diskussion über diese Plakate, die lanciert wird, führt zu massenhafter Gratiswerbung, sogar in den Medien, bei denen man nicht inserieren will oder kann. Schlau ist das nicht.Das Schweizer Fernsehen berichtet sehr ausführlich und kann das Thema gleich noch in eine lächerliche Diskussionsrunde, welche eigentlich um ein harmloses, nichtssagendes Plakat der "Freidenker - Vereinigung Schweiz" zum Inhalt hatte. Interessanter wäre zum Beispiel folgendes Plakat gewesen:



Ws Vorschlag, einfach allen Parteien identische Sendegefässe in den öffentlich-rechtlichen Medien zur Verfügung zu stellen, halte ich für wenig durchdacht. Einerseits werden lokale und regionale Themen dadurch kaum berücksichtigt werden können, ausser SF stellt TSI2 ein und strahlt dafür einen Dauerpolitwerbesender aus. Oder das ganze endet mit solchen Resultaten:



Ganz schräg:



Direkte Demokratie?



Oder, ganz übel:



Dann doch noch lieber Cédric "Stolte - Benrad" Wermuth in jeder (wirklich jeder!) Sendung von SF, die nicht ausschliesslich von angestelltem Personal bestritten wird. Oder doch nicht?