Freitag, 4. September 2009

Meinungsäusserungsfreiheit, KGB und Bundesamt für Statistik

Quelle: Tagesanzeiger / newsnetz


Die Wellen gehen hoch, des Volkes Seele kocht mal wieder. Das Bundesamt für Statistik hat offenbar die Schnauze voll von Leuten, die sich weigern die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Wer nicht mit den vom Bund beauftragten Umfrageinstituten kooperiere, werde gebüsst. Ob die rechtlichen Voraussetzungen dafür tatsächlich gegeben sind, muss an dieser Stelle offen bleiben.

Erstaunlich aber die zahlreichen und vielfältigen Reaktionen auf den entsprechenden Artikel:

Die Grundsätzlichen:

"Schweizerische Bundesverfassung Art. 16 Meinungs- und Informationsfreiheit 1 Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist gewährleistet. 2 Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie u n g e h i n d e r t zu äussern und zu verbreiten. 3 Jede Person hat das Recht, Informationen frei zu empfangen, aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen und zu verbreiten. Verfassungswidrig!"


Was das genau mit dem Bundesamt für Statistik zu tun hat, was verfassungswidrig ist, was der Verfasser des Kommentars genau sagen will, ist nicht ganz ersichtlich. Aber Meinungsfreiheit ist immer gut. Jederzeit, für alle und alles:

"Jede Person muss sich ausweisen! Auch die beauftragten Telefonisten vom Bund. Da könnte ja jeder Anrufen und sagen, er sei beauftragt worden. Und so lange dieser Beweis nicht erbracht wird, kann auch nicht gebüsst werden. Ich bin der Meinung, dass diese Busse sowieso nicht rechtens ist. Es herrscht immernoch MEINUNGSFREIHEIT und meine Freiheit ist es, so eine Umfrage abzulehnen."

Sehr schöne Argumentation. Es herrscht Meinungsfreiheit. Meiner Meinung nach ist es eine Sauerei, dass ich für eine Zugfahrt Geld bezahlen muss, auf der Autobahn nicht so schnell fahren darf, wie ich will und dass ich Steuern zahlen muss. Da die Verfassung meine Meinungsfreiheit schützt, darf ich gratis Zugfahren, Rasen und Steuern muss ich auch nicht mehr bezahlen. Sehr gut.



Die Saboteure:
"Ich habe mir gestern einen grossen Würfel gekauft, den man auch am anderen Ende der Leitung gut hören wird. Uns so werde ich das machen: Mehrfachauswahl = Würfelzahl. Ungerade Zahl = Nein, gerade Zahl = Ja. 5 Zahlen in Serie = Jahreslohn. Und so weiter..."

Sehr ausgeklügelt. Doch die Angaben werden auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft. Leider scheinen Kenntnisse darüber, wie man so etwas macht, auch ohne über die "wahren" Daten zu verfügen, nicht sehr verbreitet zu sein. Das ist nicht zwingend mit aufwendigen Verfahren verbunden. Das riecht irgendwie nach Überwachungsstaat, nicht?

"Der nächste Fichenskandal ist schon vorprogrammiert. Wenn das BFS schreibt, dass die Befragungsinstitute sehr wohl Methoden haben um festzustellen, wer falsche oder widersprüchliche Angaben macht, da muss man jetzt schon über uns die Akten angelegt haben. Das ganze dient nur zur Aktuallsierung der Ordner. Die Zeiten von der Stasi und des KGB werden jetzt nur noch verfeinert. Bürger wacht auf....."

Nun, der KGB hat wohl auch massenhaft Personen überwacht, ebenso die Stasi. Daneben wurden Tausende, wenn nicht Millionen erschossen, sonstwie umgebracht, eingesperrt, verbannt. Ein Vergleich mit Telefonumfragen kommt einer Verharmlosung dieser Geschehnisse gleich. Es sei denn, die Mitarbeiter des Bundesamtes für Statistik werden demnächst bewaffnet und mit Sondervollmachten ausgestattet und im Val-de-Joux werden Straflager für Umfrageverweigerer eingerichtet.


Die Verwirrten:

"1.Kommen die Menschenrechte nur denen zugute,die es nicht verdienen.2.Hat die Befragung Vor-u-Nachteile,indem man mal die Arbeitnehmerseite zu hören kriegt,was möglicherweise die Statistik anders aussehen lässt,als diejenige der Arbeitgeber.3.War zuerst die Rede von CHF 70.-;auf der Bluewinseite von bis CHF 10'000.-4.Vermute ich, der Bund braucht schlicht u.einfach Geld!"

Sehr schön. Die Menschenrechte kommen nur jenen zugute, die diese nicht verdienen? Das besondere an den Menschenrechten ist, dass man sich diese eben genau NICHT verdienen kann oder muss. Man kann sie auch nicht verwirken oder jemandem wegnehmen. Und ein Menschenrecht auf Verweigerung von staatlich angeordneten Telefonumfragen besteht meines Wissens nicht.

Die zahlreichen Kommentare lassen nur eine Forderung zu: Niemand sollte, einfach weil er zufälligerweise von den richtigen Eltern auf die Welt gestellt wurde und es irgendwie geschafft hat, 18 Jahre alt zu werden, Stimm- und Wahlberechtigt sein.









1 Kommentar:

  1. Oder auch brerechtigt sein, Kommentare zum Tagesgeschehen abzugeben.
    Sehr schöner Post. So etwas könnte man auf Newsnetz an beliebigen Themen entwickeln. Ich gehe zudem davon aus, dass nicht nur Lesende sondern auch Schreibende der Ansicht waren, alle Telefonumfragen könnten nun mit einem Teilnahmeobligatorium versehen werden.
    Wie schon getwittert oder so: Das letzte Mal, als ich angerufen worden bin, mich bereit erklärt habe mitzumachen, wurde ich als erste nach dem Alter gefragt, worauf mir das Fräulein beschieden hat, ich sei leider drei Jahre älter als ihre älteste Zielgruppe. Die wollen nichts mehr von mir hören. Nein, das war nich der KGB.

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